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Ostimpressionen

■ „Kennzeichen D“, Mi., 24.8., ZDF, 20.15 Uhr

Zum Glück hab ich erst um halb neun eingeschaltet, als der erste Beitrag von „Kennzeichen D“ fast vorbei war. So bleibt die Spannung erhalten, wenn das ZDF „Schwarzenberg“ bringt, das Fernsehspiel zum Roman von Stefan Heym. Dann geht es mir wie den DDRlern, die kennen den Roman auch noch nicht. Heym gehört zu den DDR-Schriftstellern, die viel Geld verdienen, weil sie in der DDR nicht gedruckt werden.

Der Film zum Buch wurde in Ungarn gedreht, nette Leute dort, die mögen Gorbatschow, wie wir und Utopist Heym. Schwarzenberg, das war 'ne reale Utopie, meint S.H. im anschließenden Interview. Die Story ist authentisch, wenn die Schwarzenberger '45 auch was anderes im Kopf hatten als Ideale. Niemand wollte sie erobern, weder die Amis noch die Russen. Da mußten die Leute ihre Angelegenheiten selbst in die Hände nehmen. Schlichte Menschen waren das, Antifaschisten, die damals weiter nichts als das Chaos verhinderten wollten. Die demokratische Verfassung der Schwarzenberger mußte der Dichter für seinen Roman deshalb nachliefern. Der Nachtrag war ein Vorgriff. Heym will Gorbatschow nicht des Plagiats bezichtigen, aber der utopische Geist von „Schwarzenberg“ durchweht auch den Kreml. Seine Widersacher sind noch mächtig, also kräftig Draumen drücken.

Und dann kommen wir zum eigentlichen Thema: Woran hapert's denn dort drüben wirklich? „Kennzeichen D“ hat sorgfältig recherchiert. Lothar Beck ist selbständiger Taxifahrer, ein Mann, der sich verwirklichen will und alles hat, was dazu nötig ist: Risikobereitschaft, Leistungswille, Eigeniniative. Aber anstatt den Jungunternehmer zu honorieren, legt man ihm Steine in den Weg - mit der skandalösen Begründung, er ließe andere für sich arbeiten (als ob das eine Schande wäre).

Otto, liberaler Graf und FDP-Mitglied, ist trotzdem optimistisch: Irgendwann werden auch die SED-Chefs einsehen müssen, daß ohne Freiheit nichts läuft. Kaum auszudenken, was sie auf die Beine stellen könnten mit unseren deutschen Tugenden: Fleiß, Zuverlässigkeit, Pflichtbewußtsein (es fehlt nur die Motivation!) - nicht zu vergleichen mit dem, was von den Iwans zu erwarten ist, selbst wenn Gorbi durchhält.

Warum bloß fahren Leute wie Lambsdorff auf den Leninisten neuen Typs so ab? Vielleicht hat Michail einen Wolga-deutschen Ururgroßvater?! Gesetzt den Fall, die Sache in der UdSSR läuft schief, die Weizsäcker-Nachfolge wäre dann geklärt. Jedenfalls dürfen wir hoffen, wie damals '68.

Kurz vor „Denver“ dreht „Kennzeichen D“ noch mal richtig auf: Mick Jagger, Bob Dylan, Prager Frühling, Rudi Dutschke

-wie sympathisch. Aber auch Gewalt, steinewerfende Studenten vor Springer, russische Panzer in Prag, Drogenkonsum. Peter Schneider, der jedesmal ein bißchen fetter ist, und Bettina Wegener, deren Weinerlichkeit keiner Steigerung mehr fähig, geben ihren Senf dazu - sie weiblich -erschüttert, er das „manichäische“ Weltbild der Studenten -Revolte tadelnd (zum Schutze der heutigen Jugend).

Wird Alexis Blake Carringtons Wahl zum Gouverneur verhindern können, ist die endlich erlösende Frage.

Lehmo

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