: „Die Bundesliga war eine Supergeschichte“
■ Gespräch zum Bundesligajubiläum mit Wolfgang Overath, einem Bundesligaspieler der ersten Stunde
taz: Die Bundesliga wurde vorgestern 25 Jahre alt. Sehen Sie sich heute eigentlich noch Bundesligaspiele an?
Wolfgang Overath: Wenn ich Zeit habe, ja. Ich hänge nach wie vor am Fußball und ich hänge nach wie vor an meinem Club, dem 1. FC Köln.
War der Fußball früher wirklich schöner? Franz Beckenbauer sagte ja mal, wenn man sich heute Videoaufzeichnungen etwa der Spiele der WM 1970 anschaue, schliefe man ein.
So kann er das nicht gemeint haben. Es wird heute schneller, athletischer, kraftvoller gespielt. Daß die Technik dabei zu kruz kommt, ist eine andere Sache.
Was gefällt Ihnen denn besser?
Tja, schwer zu sagen. Verschiedene Zeiten miteinander zu vergleichen, ist sehr schwierig. Früher wurde schöner Fußball gespielt, fürs Auge. Wir waren vielleicht nicht so schnell, aber ich bin sicher, daß die großen Spieler von früher auch heute bei hohem Tempo eine dominierende Rolle spielen würden.
Können Sie sich an das erste Bundesligaspiel des 1.FC Köln am 24.8. 1963 noch gut erinnern?
Ja, das war in Saarbrücken. Dort haben wir 2:0 gewonnen. Ich habe das erste Tor gemacht. Ich war gerade 19 geworden und es war mein erstes Spiel für den 1.FC Köln.
Gab es damals in ihrer Mannschaft so etwas wie Aufbruchsstimmung beim Start in das neue Abenteuer Bundesliga oder war es ein ganz gewöhnliches Spiel?
Für uns war es weniger Aufbruch als für die anderen Clubs. Der 1.FC Köln war damals weiter als die anderen Vereine. Andererseits war die Bundesliga eine Supergeschichte, überall volle Stadien, eine phantastische Stimmung.
Waren Sie damals schon Vollprofi?
Ich bin kurz vor dem Abitur von der Schule abgegangen und habe eine kaufmännische Lehre begonnen, die drei Jahre dauerte. Aber die meisten waren damals schon Profis.
Wie hoch waren die Gehälter?
Wir haben mit 1.500 Mark angefangen. Das war damals viel Geld.
Und Training?
Training war fast jeden Tag. Ich sagte ja, wir waren den anderen etwas voraus. Aber die Entwicklung ist dann in allen Bereichen - Training, medizinische Betreuung, Vereinsführung - rapide vorangegangen.
Es gibt ja die Legende von der Gemütlichkeit und Kameradschaft, die damals noch herrschte. Ist da was dran?
Es wurde abends immer noch zusammen gegessen, auch nach dem Training. Das war alles noch ein wenig ... kameradschaftlicher ist nicht das richtige Worte oberligahafter.
Heute betrachten viele Profis ihre Mitspieler nur als Kollegen, mit denen sie sonst nichts zu tun haben wollen. War das damals anders?
Ich denke, es muß auch heute anders sein. Wenn es nur Geschäft ist, kann man keine Leistung bringen. Es muß ein Hobby sein, das Riesenspaß macht. Man muß gerne mit den Mitspielern umgehen. Wenn das nicht so ist, hat man den Beruf verfehlt.
Und in ihrer aktiven Zeit, von 1963 bis 1977, war das so.
Ich habe das so gesehen. Im WM-Endspiel 1974 haben wir eine sehr hohe Prämie bekommen, aber ich habe keine Sekunde gedacht: „So, wenn du jetzt drei Meter weiter läufst, kannste das Geld verdienen.“ Ich hätte gern auf alles Geld verzichtet und wäre dafür Weltmeister geworden. Wenn ich dann aber gewonnen habe, und habe dann noch das Geld verdient, ist es natürlich eine wunderbare Geschichte.
Vielleicht noch ein Wort zur Zukunft der Bundesliga.
Das Problem des Fußballs ist, daß er sich zu sehr in Richtung Kraft entwickelt hat. Es heißt ja Fußballspiel und der zweite Teil des Wortes kommt zur Zeit zu kurz. Dadurch fehlt die Attraktivät. Da muß man ansetzen. Es gibt auch heute Beckenbauers, aber wenn die mit sechs, sieben, acht Jahren in die falsche Richtung gehen, dann gibt's nachher Renner, die viel Kraft haben, die auch noch ein bißchen guten Fußball spielen können, die aber nicht mehr die überragende Rolle spielen.
Es kann aber auch sein, daß diese Talente heute lieber Tennisspieler werden.
Das glaube ich nicht. Die Deutschen sind nach wie vor eine Nation von Fußballbesessenen.
Interview: Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen