: Birmas lange Wut bleibt von Konzessionen unbeeindruckt
■ Schon wieder waren eine Million Demonstranten auf der Straße / Staatschef Maung Maung bietet Referendum an / Leitfigur des Widerstands Aung Gyi wieder auf freiem Fuß
Rangun (dpa/afp/taz) - In Birma haben sich die Demonstranten von den Zugeständnissen des neuen Staats- und Parteichefs Maung Maung nicht beeindrucken lassen. Am Donnerstag kam es erneut zu Massenprotesten, an denen neben den führenden Studenten und Mönchen inzwischen auch viele Behörden- und Regierungsangestellte teilnehmen. Die Demonstranten hätten dazu aufgerufen, sich nicht von der „Verzögerungstaktik“ der Regierung irreführen zu lassen. Nach verschiedenen Schätzungen haben sich landesweit mehr als eine Million Menschen an den neuen Demonstrationen beteiligt.
Maung Maung, gemäßigter Nachfolger des am 12.August nach schweren Unruhen mit wahrscheinlich 3.000 Toten zurückgetretenen „Schlächter“ Sein Lwin, hatte Mittwoch abend dem Druck wachsender Massenproteste nachgegeben und einen Sonderparteitag für den 12.September angekündigt, auf dem eine Volksabstimmung über die Wiedereinführung des Mehrparteiensystems beschlossen werden soll.
Mit einem entsprechenden Vorschlag suchte sich Birmas Autokrat General Ne Win, der Vorgänger Sein Lwins, noch einen ehrenvollen Abgang zu verschaffen . Auf dem letzten Parteikongreß unter seiner Ägide stimmte aber die Sozialistische Programmpartei das erste Mal gegen ihren 26 Jahre amtierenden Parteichef.
Das Referendum soll nach Angaben Maung Maungs so bald wie möglich abgehalten werden. Falls sein Vorschlag in der Partei keine Rückendeckung erhalte, würden er und die 14 Mitglieder des Zentralkomitees (ZK) der Partei geschlossen zurücktreten.
Am Donnerstag wurde die Freilassung weiterer Gefangener bekanntgegeben. Unter ihnen befand sich der führende Oppositionelle Aung Gyi. Der 70jährige Ex-General war bis zum unblutigen Militärputsch Ne Wins 1962 einer seiner engsten Mitarbeiter. Zwischen den beiden kam es aber schon früh zum Zerwürfnis, weil Aung Gyi einen liberaleren Wirtschaftskurs vertrat. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang der ehemals wohlhabenden Reiskammer Südostasiens stieg im letzten Jahr das Ansehen des rührigen Dissidenten. Aung Gyi bedrängte Ne Win nicht nur durch seine Kritik an Mißwirtschaft und Menschenrechtsverletzungen gegenüber ethnischen Minderheiten und Demonstranten, er verschaffte sich auch bereits Rückhalt bei Birmas größtem Geldgeber Japan. Im Januar trumpfte Aung Gyi mit Kontakten zu japanischen Wirtschaftsberatern auf, die sich bei ihm über Birmas stockende Reformpolitik beklagt hätten.
Nach 26jährigem Einparteiensystem steht die Opposition vor dem Problem, ihren Widerstand zu organisieren.
Aung San Suu Kyi, die Tochter Aung Sans, des Helden der Unabhängigkeitsbewegung gegen die britische Kolonialmacht, hatte sich zur Vermittlung zwischen Studenten und Regierung angeboten und erneut zu einer Großdemonstration vor der höchsten Kultstätte der Buddhisten aufgerufen.
sl
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