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Vorlauf

■ Der Verwegene: "Will Penny"

(Will Penny, 3SAT, 22.22Uhr) „Unser Wagen im Fluß umgekippt. Viele unserer Koch-Sachen verloren. Die ganze Nacht auf dem Pferd, bei schwerem Regen. Seit 60 Stunden nichts gegessen. Einer unserer Leute heute ertrunken. Schwarze Tage. Die Leute fluchen und murren. Alles ist naß und kalt. Ich fühle mich krank und ganz entmutigt.“ (Aus dem Tagebuch des Viehtreibers George Duffield, 1866) Will Penny ist der erste bedeutende Western, der die in vielen Dokumenten der Zeit beschriebenen qualvollen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Cowboys zum Inhalt, nicht zum Hintergrund und Milieu eines Filmes macht; ohne Romantisierug und Heroisierung berichtet er vom Druck, der Monotonie der Härte einer Arbeit in einer feindlichen Natur, vom verzweifelten animalischen Dasein in einer Umwelt, in der die Erziehung des Menschen aus seiner Verrohung besteht. „Du hast nicht fair gekämpft“, sagt ein Cowboy bei einer Prügelei zu Will Penny, der ihn mit Füßen, Ellenbogen und Zähnen brutal traktiert hat. Will Penny antwortet: „Du liegst unten. Meine Hände brauche ich zu Arbeit.“ Die Figuren folgen nur noch ihren Instinkten und den dringenden Anforderungen des Augenblicks. Wer weiß, daß er seinem verletzten und leidenden Freund nicht helfen kann, unterläßt auch den Versuch dazu. Mehr als irgendein anderer Western macht Will Penny sich darüber Gedanken, was „wild“ am Westen ist, was Abwesenheit von Zivilisation bedeutet. Es bedeutet zum Beispiel den Mangel an sozialen Instinkten; Gemeinschaft wird nicht gefordert und nicht gepflegt, in Dienstverhältnissen wird sie vermieden. Der Rancher, der Will Penny seine Arbeit in den Bergen zuweist, sagt abschließend: „Bis zum Frühling will ich nichts mehr von Ihnen hören.“ Die Cowboys untereinander fühlen sich nicht verbunden und tragen keine Sorge füreinander. Sie sind Einzelgänger nicht aus Individualismus, sondern aus Unfähigkeit zur Kommunikation. Sie können nicht reden, sie können nicht lesen, sie können nicht schreiben, sie haben Empfindungen verlernt, weil Empfindungen in ihrer Arbeit keine funktionelle Bedeutung haben. Sie sind vertiert. Das Analphabetentum der Westerners wird in vielen, sogar in vielen guten Western, immer nur als Gag benutzt, als Anlaß, sich auf nette Art ein bißchen über die ungebildeten Klötze zu belustigen. In Will Penny wird dargestellt, wie das Analphabetentum, der Mangel an Bildung und Zivilisation das Leben dieser Männer bestimmt, wie ihre Beschränktheit ihr Schicksal ist. Tom Gries, der Autor und Regisseur des Films, hat als Publicity-Mann, Produzent und Drehbuchautor angefangen und vor Will Penny zwei unbedeutende Filme gedreht, den Western Mustang und den Kriegsfilm Hell's Horizont. Die Chance, Will Penny drehen zu können, verdankt er Charlton Heston, der wiederum dem Film die Chance verdankt, im reifen Charakterfach zu debütieren, oder, wie 'PLAYBOY‘ sagt: „Will Penny pflügt nicht nur neuen Boden im Westen, sondern dürfte auch Charlton Heston für eine Weile vor der Tunika und den Sandalen retten.“ USA 1967, mit Charlton Heston, Joan Hackett, Donald Pleasence.

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