Wo immer Kanonen donnerten, Knorr war dabei

Der größte bundesdeutsche Hersteller von Instant-Food feiert sich zum 150jährigen Jubiläum / Die Geschichte eines Kriegslieferanten und Kriegsgewinnlers / Betriebschronik: Mit Knorr-Suppen wurde schon der Burenkrieg gewonnen / Erbswurst und Suppen für die Weltkriege  ■  Aus Stuttgart Dietrich Willier

„Daß ich mein Spezereiwarengeschäft heute eröffnet habe, verfehle ich nicht mit dem Bemerken anzuzeigen, jedermann billigst und bestens zu bedienen.“ Zu Heilbronn schrieb man den 29.August 1838, 5.000 Gulden und eine Frau hatte der Handlungsreisende Carl Heinrich Knorr geheiratet, mit dem Datum beginnt der Siegeszug des deutschen Instant-Food. Heuer feiert man Jubiläum.

Zwei Millionen Päckchensuppen sind es heutzutage, die täglich in Europas modernster Suppenfabrik produziert werden. Mit 350 verschiedenen Produkten, vom Fleischbrühwürfel und der legendären Erbswurst-Suppe über Soßen aller Art bis zur Babynahrung wurden im vergangenen Jahr mehr als eine Milliarde umgesetzt. Doch die Geschichte Knorrs ist die Geschichte eines Kriegslieferanten und -gewinnlers, die Geschichte von Zwangsarbeit und Arbeitslager. Stolz berichtet die Heilbronner Betriebschronik, mit Knorr-Suppen sei schon der Burenkrieg gewonnen worden.

Wo immer Kanonen donnerten und Menschen starben, Knorr war dabei. Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg wurde jeweils die gesamte Produktion von Erbswurst oder Tütensuppen, von Instantbrühen, Kindernahrung und Ersatzlebensmitteln auf Kriegslieferung umgestellt. Knorr unterhielt einen werkseigenen Knorr-Feldpostdienst und eigene Kriegsberichterstatter zur patriotischen Förderung der Kriegsmoral. 25 Gramm Suppenpulver pro Mann und Tag, hieß es, genüge auch als Feldverpflegung. Ein Würfel Erbswurst, getrocknet und gepreßt, ließ sich auch im Schützengraben lutschen oder mümmeln.

Wo immer Felder zerstört und Ernten vernichtet waren, Knorr war mit Kriegssuppen aus getrocknetem und gemahlenem Gemüse zur Stelle. Sprüche wie „Krupp-Kanonen und Knorr-Suppen, auf die können wir uns verlassen“ wurden schießenden Frontsoldaten in den Mund gelegt. Mit Knorr-Suppen, hieß es, gewinnen wir die Schlacht. Auf daß auch ja die Heimatfront nicht bröckle, gab man sich plump nationalistisch: „Platthafer, echtes deutsches Wort, man bleibe mit den Oats mir fort! Es kaufe stets, wer's haben kann, die Ware deutsch beim deutschen Mann. Platthafer-Knorr - wenn man's nur spricht, wie markig klingt's, wie deutsch und schlicht!“ Kriegskommandanten bedankten sich dann in Heilbronn „für die gehobene Truppenmoral dank Knorr“.

In der Knorrschen Firmenchronik blieb davon wenig, dafür aber Schwänke wie dieser übrig: 1914 kam es zum Krieg im Suppentopf. Der 'New York Herald‘ hatte von einer ganz raffinierten Spionage des deutschen Generalstabs berichtet. Überall in Frankreich seien Emailleschilder aufgestellt, auf denen ein Koch drei Teller Knorr-Suppe für zehn Pfennige preise. Dahinter sollten sich Batterien, Verschanzungen und geheime Proviantvorräte verbergen, gefangene Offiziere hätten das bestätigt. Bei Knorr freut man sich noch heute über den gelungenen Spaß. Doch nicht allein bei der Verteidigung des Vaterlandes war Knorr stets vorne mit dabei, auch die Unterwerfung afrikanischer Kolonien schien ohne Knorr nicht denkbar. Und nicht nur das: Ein altes Werbeplakat zeigt Eskimos, die, mit Frisjof Nansen erschöpft am Nordpol angelangt, nach Kaffee-Ersatz aus dem Hause Knorr, nach Knorrs Hafermehl und Tütensuppen lechzend.

Nur die Nachkriegszeiten, so die Chronik, hätten Knorr jeweils einen schweren Start beschert, die „Kriegssuppen mit ihrer zwangsläufig schlechten Qualität hatten sich beim Verbraucher eingeprägt“: Neue Verpackungsarten sollten von neuen „Friedensqualitäten überzeugen“.

Das alles aber wird in den kommenden Monaten auf einer eigens für das 150jährige Jubelfest arrangierten Wanderausstellung kaum zu sehen sein. Gezeigt wird der sensationelle Aufstieg eines Spezereiwarenhändlers zum „Welternährer“ mit Instant-Food. Und erzählen wird man ein anderes Schmankerl: „In den zwanziger Jahren schickte Stalin eigens das ZK-Mitglied Mikojan nach Deutschland, um das Geheimnis der Erbswurst zu ergründen. In ihr sahen die Russen damals eine typisch deutsche Wunderwaffe gegen Versorgungsengpässe und Hungersnöte“ - aber das sei ein wenig übertrieben.

Die legendäre Erbswurst aber, mit oder ohne Speck, schmeckt heute (würg! d.S.) wie vor fast hundert Jahren und bereichert die Küche von Armeen noch ebenso wie die der gestreßten Hausfrau.