piwik no script img

Proteste gegen belgische Atom-Müll-Pläne

■ Belgische Regierung hat fünf Gemeinden ausgeguckt, von denen eine als Lagerplatz von 150.000 Kubikmeter schwach verstrahlten Mülls bestimmt werden soll / Bürgermeister und Lokalpolitiker protestieren / Alternative Mol könnte Sprachenstreit schüren

Brüssel (afp/taz) - Die belgische Regierung hat fünf Ortschaften ausgewählt, aus denen eine für einen Zeitraum von 300 Jahren 150.000 Kubikmeter schwach radioaktiven Atommüll aufnehmen soll. Die Zeitung 'Le Soir‘ nannte Chimay, Custine und Marche-en-Famenne (in der Wallonie) sowie Kruibeke und Lo-Reninge (in Flandern), die für die 30 Hektar umfassende Lagerfläche mit Bunker für schwach verstrahlten Müll aus belgischen AKWs in Frage kommen. Verwaltungen und Lokalpolitiker lehnten dieses Vorhaben am Sonntag entschieden ab. In Chimay an der französischen Grenze trat am Vormittag der Gemeinderat zu einer Sondersitzung zusammen und beschloß ein Verbot der Lagerung jeglichen Nuklearabfalls auf ihrem Territorium. Eine Alternative wäre die Unterbringung des Atommülls in den unterirdischen Lagerstätten des Kernforschungszentrums Mol. Flämische Nationalisten betrachten allerdings die zunehmende Konzentration der belgischen Nuklearindustrie auf das flandrische Mol (nahe der niederländischen Grenze) bereits mit großem Argwohn, so daß ein Wiederaufflackern des Streits zwischen den belgischen Sprachgemeinschaften befürchtet wird. Die Lagerung der in Belgien in großer Menge anfallenden Nuklearabfälle wird zunehmend problematisch. Im vergangenen Jahr hatte der Plan, vor der Küste eine künstliche Insel zur Zwischenlagerung von Sondermüll zu errichten, für eine lebhafte innenpolitische Debatte gesorgt.

„Das gibt Aufruhr“

Die taz sprach mit Bürgermeister Bouchat von der Gemeinde Marche-en-Famenne

taz: Wie haben die Leute in der Gemeinde auf diese Nachricht reagiert?

Bouchat: Mit kategorischer Ablehnung. Auch wenn uns diese Entscheidung von oben aufgezwungen werden sollte, Marche-en -Famenne wird nicht zum Mülleimer Belgiens werden.

Was befürchten die Leute?

Die Leute lehnen die Atomenergie grundsätzlich ab. Diejenigen, die von der Atomenergie profitieren, sollen den Müll selbst behalten.

Was werden sie unternehmen, falls es ihre Gemeinde trifft?

Ich habe bereits eine polizeiliche Anweisung gegeben, die das Lagern von verstrahltem Müll auf dem Gebiet meiner Gemeinde untersagt.

Wann wird die endgültige Entscheidung fallen?

Erst in einigen Monaten. Meiner Meinung nach sollte der sogenannte „schwachstrahlende“ Atommüll in Mol (Atomkraftwerk und Atom-Forschungszentrale bei Brüssel - d. Red.) in ein unterirdisches Lager.

Wie wird die Gemeinde auf eine Entscheidung pro Marche-en -Famenne reagieren?

Schon jetzt gibt es Aufruhr. Falls die Entscheidung auf uns fällt, wird es den allgemeinen Aufstand geben.

Interview: M.Kirfel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen