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Bauzaun sichert Datenschutz

■ In einem Abriß-Pavillon des Rudolf-Virchow-Klinikums liegen Teile der Patientenkartei offen herum / Datenschützer halten dies für einen Bruch der ärztlichen Schweigepflicht / RVK-Leitung: Alles ganz normal

Das Universitätsklinikum Rudolf Virchow (RVK) sichert die Daten vieler Patienten allein durch einen Bauzaun. Diese etwas grobschlächtige Art, dem Datenschutz und der ärztlichen Schweigepflicht gerecht zu werden entdeckte gestern ein taz-Mitarbeiter auf dem Weddinger Gelände des Klinikums. Sein überraschender Fund: Ein größerer Haufen mit mehreren hundert Karten aus der Patientenkartei lagert in einem der zum Abriß bestimmten Ludwig-Hoffmann-Pavillons. Name, Geburtsdatum, Aufnahme- und Entlassungsdatum der Patienten sind auf diesen Karteikarten ebenso vermerkt, wie Diagnose und Therapie der Kranken. Angeheftet an die Karteikarten finden sich auch Arztbriefe. Alles zusammen lag noch gestern nachmittag verstreut zwischen leeren Bierflaschen und Lumpen in einem Gang des ersten Obergeschosses des Pavillons 14. Hier war bis zum Abriß die Unfallchirurgie und die Erste-Hilfe-Station untergebracht. Der Pavillon ist wie die ganze Baustelle für jedermann mühelos zugänglich. Zudem sind innerhalb des Bauzauns die Bauarbeiter am Werk.

„Das kann ein Bruch der ärztlichen Schweigepflicht sein“, erklärte gestern auf taz-Anfrage Referent Alexander Dix vom Berliner Datenschutzbeauftragten. Patienten könnten Strafantrag gegen die Verantwortlichen stellen, meinte der Datenschützer gestern. Dix: „Die Karten dürfen nicht auf einer Baustelle rumliegen. Die Rechtslage ist da völlig eindeutig.“

Weniger gut informiert über seine Pflichten zeigte sich gestern der ärztliche Leiter des RVK, Doktor Wulsten. Er erregte sich nicht über die vom RVK zu verantwortende Schlamperei, sondern allein über den taz-Mitarbeiter, der zunächst einige der Karten in die Redaktion mitgebracht hatte. Es ginge der taz doch nur darum, „unser Haus in die Pfanne zu hauen“.

Auf einer Baustelle oder bei einem Umzug könne es schon mal passieren, daß die Akten liegenbleiben, fand Wulsten. Man gehe schließlich vom „Normalverhalten eines Bürgers“ aus, der Baustellen vorschriftsgemäß nicht betrete. Eine weitergehende Stellungnahme lehnte der Arzt ab.

Der Datenschutzbeauftragte hielt den Fall dagegen für gravierend und versprach, der Sache „sofort nachzugehen“. Derartige Patientenkarten, bestätigte Referent Dix, müßten eigentlich 30 Jahre lang „sicher aufbewahrt“ werden. Erst dann dürften sie vernichtet werden. Die Karten, die die taz entdeckte, sind teils jünger, teils älter als 30 Jahre.

Ähnliche Vorfälle registrierte die Behörde schon öfter in anderen Kliniken. So wurden zuweilen Patientenakten in den verlassenen Gebäuden von Privatkliniken aufgefunden, Psychologen hinterließen nach dem Umzug ebenfalls Akten in ihren ehemaligen Wohnungen. Mal stand in einem Krankenhaus der Archivkeller offen, mal fanden sich Patientendaten im Müll.

hmt

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