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Ramstein-Inferno fordert weitere Tote

Nur wenige der auf der US-Airbase Ramstein aufgebahrten Toten konnten bislang identifiziert werden 47 Todesopfer / US-Army blockt Vorwürfe weiter ab und führt statt dessen „goodwill“ im Munde  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Auch zwei Tage nach der Katastrophe von Ramstein ist es den bundesdeutschen und US-amerikanischen Behörden noch immer nicht gelungen, die Mehrzahl der Opfer des Flammeninfernos vom Sonntag, die auf der Air-Base aufgebahrt sind, zu identifizieren. Wie der Pressesprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums, Jo Dietzen, der taz mitteilte, sind bislang lediglich zwölf Leichen identifiziert worden. Es handele sich dabei um die drei italienischen Piloten der Unglücksmaschinen und um neun deutsche Opfer der Horrorshow. Die Zahl der Todesopfer hat sich auf 47 erhöht.

Pressesprecher Dietzen wies - wie schon am Vortag die US -amerikanischen Generäle Calvin und Kirk - die Kritik an den Rettungseinsätzen nach der Katastrophe zurück. Insbesondere der Vorwurf eines Notarztes, wonach die US-Amerikaner „wie unter Beschuß in Vietnam“ die Opfer wahllos auf Pritschenwagen geworfen hätten, sei unzutreffend, meinte Dietzen, der selbst Augenzeuge des Geschehens war: „Auf den offenen Pritschenwagen wurden keine Schwer-, sondern nur Leichtverletzte transportiert.“ Bei insgesamt knapp 400 verletzten Personen sei es als Beleg für die Umsicht der Helfer und Retter zu werten, daß auf dem Transport in die Krankenhäuser „nur“ 13 Menschen verstorben seien. „Schnell, besonnen und in guter Zusammenarbeit“ hätten bundesdeutsche und US-amerikanische Rettungsdienste reagiert, auch wenn man in der „ersten Nachbetrachtung“ einräumen müsse, daß „nicht alles bis aufs I-Tüpfelchen gelaufen“ sei.

Dietzen räumte ein, daß zum Beispiel die unterschiedliche Ausstattung der deutschen und der US-amerikanischen Rettungsdienste - so paßten etwa die deutschen Schläuche für Infusionen nicht auf die Tropfflaschen der US-Army - im nachhinein durchaus Anlaß zur Kritik gebe, „weil die doch schon jahrelang zusammenarbeiten in Ramstein“.

Nach Auskunft des Pressereferenten der Kreisverwaltung Kaiserslautern, Vollmer, sind von den schwerverletzten Personen in den Krankenhäusern 190 deutsche und 16 US -Amerikaner identifiziert. Von den Verletzten seien insgesamt elf Personen noch nicht identifiziert worden.

Die US-Army setzte auch am Dienstag ihre Informations -Blockadepolitik fort: „No detail informations!“ - die einzige Äußerung, die untergeordneten Dienstgraden am Montag zu entlocken war - war auch gestern die Standardantwort. Am Montag hatten die Generäle Calvin und Kirk den Leiter des US -Hospitals in Landstuhl vor der versammelten Weltpresse als „Helden“ gefeiert. Man habe in Ramstein „alles im Griff“ gehabt. Auf die Frage, ob diese Flugschau in Ramstein nicht mehr „illwill than goodwill“ (frei übersetzt: „Mehr Leid als Freud“) in bezug auf die US-Army bei der bundesdeutschen Bevölkerung ausgelöst habe, antwortete der Oberkommandierende der NATO-Streitkräfte in Europa, General Galvin: „What we express and what we feel is goodwill. And I am proud to say that this is a typical American characteristic.“ („Was wir ausdrücken und fühlen ist guter Wille. Und ich bin stolz darauf, daß das eine typische amerikanische Tugend ist.“

Die für Mittwoch geplante Trauerfeier für die Opfer des Ramstein-Infernos ist wegen der Schwierigkeiten bei der Identifizierung der Toten auf den Sonnabend verschoben worden.

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