: Maryse Holders Briefroman "Ich atme mit dem Herzen"
Maryse Holders Briefroman „Ich atme mit dem Herzen“ war auch hierzulande zeitweise ein Szene-Renner. Jackie Burroughs hat das Buch verfilmt; da es um Sex und Promiskuität geht, ist der kanadische Streifen im aidsgeschüttelten Amerika bisher nicht zu sehen. Er startet heute in der Bundesrepublik, im Panorama-Programm der Berlinale war er bereits einmal zu sehen. Marcia Pally schrieb dazu in der taz: „Die kanadische Filmemacherin Jackie Burroughs spielt Maryse Holder, eine amerikanische Universitätsprofessorin, die es ins Dickicht der Dekadenz südlich der Grenze treibt: Alkohol, Tabletten und vor allem Sex, mit einer Kompanie brauner Jungen. Wenn William Burroughs eine Frau gewesen wäre: er hätte wohl so ausgesehen. (...) Holder ist eine nervöse, kettenrauchende, rücksichtslose Narzißtin, Burroughs verkörpert jeden ihrer abstoßenden Charakterzüge, aber auch ihre kleinen, ironischen Reize. Das Thema ist gewagt. Zu Zeiten des Wiederauflebens einer 50er-Jahre-Moral, eines religiösen Fundamentalismus und der Aufregung um „Eine verhängnisvolle Affäre“ führt der Film ein irres und radikales weibliches Verlangen vor. Wenn Männer ihr Leben der Kunst opfern, sind sie Macho-Helden: John Wayne mit Grips. Wenn aber Frauen dem Willen des Fleisches folgen, sind sie Fotzen und Huren. Männer bekommen eine Tapferkeitsmedaille, Frauen werden stigmatisiert. Da nun einige Feministinnen im Namen der Frauenkultur wieder ordentliche puritanische Dogmen errichtet haben, ist es also ermutigend, eine Frau zu sehen, eine Professorin, die ohne jede Entschuldigung einfach Sex will. Wir müssen entdecken können, welche Art von Lust wir wollen, ohne dabei zu Aussteigern zu werden oder uns umzubringen. Kurz: ohne bestraft zu werden. Männer werden es ja schließlich auch nicht.“
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