Karin B. und die Kunstflieger von Ramstein

Giftfaßdiplomatie und Flugschaustrategie oder: Die allmähliche Germanisierung der Giftmüllfässer Eine Betrachtung über die Bedeutung des Nationalitätenadjektivs in Italiens Medienlandschaft  ■  Aus Rom Werner Raith

Irgendwie haben wir es ja immer gewußt: Italien, selbstlos und in Umweltsachen geradezu bahnbrechend, hat das Frachtschiff „Karin B.“ nur deshalb beauftragt, die schon ausgeladenen Giftfässer aus Afrika zurückzuholen, weil einer sich eben opfern muß. Doch irgendwann will das Opfer schließlich als solches anerkannt und verehrt sein. Und wenn die anderen das nicht wollen, dann ist eben Schluß mit der Aufopferung. Speziell wenn die anderen gerade auch noch ihre Hinterhältigkeit dadurch zeigen, daß sie die von Flugdraufgängern verursachten vier Dutzend Toten partout nicht, wie beim feierlichen Begräbnis der Piloten in Udine geschehen, als heroische Tat anerkennen wollen. Mithin: in geradezu unitalienisch präzisem Gleichtakt mit der BRD -Polemik gegen idiotische Flugmanöver über bewohntem und publikumsbesetztem Gebiet haben die Italiener entdeckt, daß der seit Wochen mit ihren Giftfässern herumschippernde Frachter „Karin B.“ ja eigentlich ein deutsches Schiff ist. Am Sonntag noch hatte es geheißen, der Fall sei gelöst, die italienischen Giftfässer würden in England entladen. Das war eine Ente, wie man mittlerweile weiß, die „Karin B.“ schaukelt weiter.

Am Montag meldete der staatliche italienische Rundfunk, gleich nach dem Bericht vom Tod der drei italienischen Flieger und den „toten Zuschauern, deren Zahl jedoch noch nicht feststeht“, daß das deutsche - betont - deutsche Frachtschiff „Karin B.“ mit (leise dazu gehaspelt) „italienischen Fässern“ an Bord vielleicht doch nicht in England ausgeladen werde. Am Dienstag war das „deutsche Schiff mit den von der italienischen Regierung zurückgerufenen Giftfässern“ wieder ausgelaufen, gleichzeitig „löste sich“, so der Korrespondent der RAI, „das Rätsel um die überhöhten Angaben über Tote: viele Leute hatten ihre Vermißtenanzeige einfach nicht zurückgezogen.“ Eine reine Schikane gegen die Todesflieger? klaro! Und so „erweist sich die erschreckende Zahl von 62 Toten als viel zu hoch, es sind lediglich 49, einschließlich der drei italienischen Piloten.“ Italiener sind, „Gottseidank sonst nicht unter den Opfern.“

Dienstag abend ist bereits völlig dem Begräbnis der Piloten in Udine gewidmet. Unter: 1. Anwesenheit höchster Staatsrepräsentanten, und 2. dem völlig unverständlichen deutschen Wunsch nach Aufhebung aller Flugakrobatik gewidmet. „Eine wohl unter Schock entstandene Forderung“, wie Korrespondent Mazzolini schon tags zuvor gemutmaßt hatte (da mußte man schon zweimal hinhören, um es zu glauben doch tatsächlich haben auch sonst in ganz Italien lediglich zwei Zeitungen, 'Il manifesto‘ und 'L'Unita‘ ein rückhaltloses „Nein“ zu den mörderischen Spektakeln gesagt). Mittwoch, die „Karin B.“ darf nun auch nicht in Frankreich anlegen, ist von der italienischen Fracht überhaupt nichts mehr zu hören: „Das deutsche Frachtschiff „Karin B.“ darf nun auch in Frankreich nicht entladen, nachdem es zuvor schon in England abgewiesen wurde“, O-Ton RAI. Verdammt nochmal, irgendwo muß das Ding doch einen Heimathafen haben

-und da gehören dann halt auch die Fässer hin. Capito?