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„Linke Utopie“ ohne Marx

■ Lafontaines Wirtschaftspolitik

Der Parteitag der SPD hat einiges geklärt. Personell setzt die Partei voll auf Lafontaine, dessen Kanzlerkandidatur nach Münster nur noch er selbst verhindern kann. Nur mit ihm kommt Bewegung in den Laden, ist der Kampf um die Titelseiten zu gewinnen. Wohin die Reise gehen soll, daran ließ er in Münster auch keinen Zweifel. Rücksichtslos focht der „linke“ Saarländer für eine Wirtschaftspolitik, die in den Grundzügen dem, was Biedenkopf will, sehr nahe kommt. Es geht um die „ökologische Marktwirtschaft“, um einen Kapitalismus mit ökologischem und sozialem Antlitz. Gleichwohl spricht der neue Star der SPD - fast schon auf geißlerischem Niveau Begriffe umdeutend - von der Notwendigkeit der „linken Utopie“. Was Lafontaine darunter versteht, hat bestenfalls dann etwas mit „linken“ Entwürfen zu tun, wenn man Marx und die Produktionsphäre vergißt. Es geht nicht mehr um die Befreiung der Arbeit in der Produktion, sondern allenfalls um die Befreiung von der Arbeit, also um kürzere Arbeitszeiten. Die kapitalistische Produktion als unabänderliche Realität zu akzeptieren, dies ist die ökonomische Botschaft und zugleich Regierungsprogramm des „linken“ Saarländers.

Dem persönlichen Aufstieg steht diese Linie nicht im Wege. Im Gegenteil, Lafontaine beschreibt offensiv das, was seit Godesberg ohnehin die Geschäftsgrundlage sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik ausmachte. Wer eine andere Politik will, der muß sagen, mit wem er was wie in welchem Zeitraum zu erreichen gedenkt. Gefragt ist nicht die radikale Pose, sondern ein pragmatischer und damit radikaler Zukunftsentwurf.

Walter Jakobs

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