: Hoffen auf Millionen-Aufträge
Die Berliner Übersee-Import-Messe gilt als Einsteigermesse für Entwicklungsländer Große Geschäfte sind aber selten / Klagen über zu niedrige Einfuhr-Freiquoten ■ Von Christine Mattauch
Berlin (taz) - Am Stand der Mongolischen Volksrepublik, einem Neuling auf der Messe, wird heftig diskutiert. Vier Mongolen und vier Europäer, in dunklen Anzügen, mit Krawatten verhandeln über Liefertermine und Muster, über Preise und Rabatte. Nach drei Stunden sind die Krawatten gelockert, die Jacketts hängen über den Stühlen. Aber fertig sind die Verhandlungspartner noch lange nicht.
Deutsche Einkäufer im Gespräch mit asiatischen, afrikanischen oder lateinamerikanischen Exporteuren - auf der 26.Übersee-Import-Messe „Partner des Fortschritts“ in Berlin ist das ein übliches Bild. In diesem Jahr geht es allerdings tendenziell ruhig zu. In den unteren Hallen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, herrscht zwar zeitweise Gedränge. Im oberen Stockwerk, das den Besuchern der Geschäftswelt reserviert ist, blieben die Flure in den ersten beiden Tagen jedoch ziemlich leer, und es wird nicht erwartet, daß sich das bis zum 4.September, dem letzten Messetag, ändert.
Wenigstens die Polizei ist stark präsent. Im Vorfeld der IWF/Weltbanktagung könne man „schließlich nie wissen“, sagt einer der umherschlendernden Streifenbeamten. Immerhin seien fast alle Ausstellerländer IWF-Mitglieder.
72 Staaten präsentieren in diesem Jahr ihre Produkte, neben der Mongolischen Volksrepublik ist auch Jemen zum ersten Mal dabei. Das Angebot reicht vom multifunktionalen Gehstock mit Signalton über wattierte Kinder-Schneeanzüge bis hin zu Mineralien. Schwerpunkte im Sortiment sind allerdings Textilien, Lederwaren, Kunstgewerbe-Artikel und Lebensmittel. Poppige pakistanische Bettbezüge sind zu haben, zarte kolumbianische Dessous, indonesische Blusen, vietnamesische Vasen, ägyptische Ledertaschen, nicaraguanische Ananas-Konserven und und und. Industrielle Produkte finden sich nur vereinzelt. Das sei auch gut so, sagt ein Geschäftsmann. „Der Einkäufer soll das finden, was er sucht. Und er sucht eben die traditionelle Exportware der Dritten Welt.“
Die Übersee-Import-Messe gilt als Einsteigermesse für Unternehmen in Entwicklungsländern. Viele Aussteller machen hier ihre ersten Erfahrungen mit der bundesdeutschen Geschäftswelt - und mit der Konkurrenz aus anderen Ländern. Haben sie nach einigen Jahren genug Kontakte geknüpft, Produkte neu- oder weiterentwickelt, sind sie auf der Übersee-Messe oftmals nicht mehr vertreten. Sie gehen dann lieber auf Fachmessen, etwa auf die Modemesse in Köln oder auf die Internationale Messe in Frankfurt.
Einigen Ausstellern ist die mangelnde Erfahrung anzumerken. Da wird versucht, EinkäuferInnen durch „Hey„-Rufe anzulocken - was freilich eher das Gegenteil bewirkt. Wenig besser die plumpe Ansprache „You like? I can sell you.“ Fast schon rührend dagegen das große Schild an einem ägyptischen Stand: „Wir suchen deutsche Importfirmen.“ Darauf wären die Besucher der Importmesse wahrscheinlich nie gekommen.
„In Köln war mehr los“
Viele Newcomer erhofften sich „gleich Millionenaufträge“, weiß Klaus Volker Schuurman, Geschäftsführer der Deutsch -tunesischen Handelskammer. Und dann sei die Enttäuschung groß, wenn „nur“ ein paar Gespräche geführt und drei Dutzend Muster verteilt worden seien. „Dabei ist ein Kontakt zu Quelle oder Karstadt schon die Messe-Beteiligung wert.“
Rasche Vertragsabschlüsse waren bislang eher die Ausnahme. Hon Wing Sang, Vertreter einer Batterien-Firma aus Hongkong: „Die deutschen Geschäftsleute sind vorsichtig. Sie nehmen Informationsmaterial und Muster mit nach Hause, und dann überlegen sie in Ruhe.“
Durchgängig scheint dieser Trend jedoch nicht zu sein. Teepu Sheikh, Vertreter eines pakistanischen Textilunternehmens, ist mit dem bisherigen Verlauf der Messe hochzufrieden. Er habe schon „sehr gute Leute kennengelernt“ und „etliche Verträge abgeschlossen“. Aber: „Auf der Kölner Modemesse war mehr los.“
Nur „pro forma“ vor Ort
Gegenüber anderen Messen, auf denen „mehr los“ ist, hat die Übersee-Import-Messe jedoch zumindest einen wichtigen Vorteil: Es gibt Sonderzoll-Präferenzen. Jedes Ausstellerland darf sechs Prozent des von der EG festgelegten jährlichen Einfuhrkontingents zollfrei einführen. Dies ist für viele Unternehmen ein großer Anreiz, an der Messe teilzunehmen. Einige Händler verkaufen überhaupt nur solange, bis ihre Quote ausgeschöpft ist.
Viele klagen jedoch, die Quote sei zu niedrig. Zur Eröffnung der Messe hätten sich alle Politiker, von Berlins Bürgermeister Diepgen bis Bundespräsident von Weizsäcker, für den Abbau von Handelshemmnisseen ausgesprochen - „da sollen sie sich mal für höhere Quoten einsetzen“.
Da die Quote pro Land zugeteilt wird, gilt: Je mehr Aussteller aus einem Staat vertreten sind, desto niedriger ist der Anteil für das einzelne Unternehmen. Der Pakistaner Teepu Sheikh etwa kann für knapp 50. 000 Mark zollfrei Textilien exportieren, ein indischer Aussteller dagegen nur für rund 5.000 Mark - Indien hat mit die meisten Aussteller auf der Messe.
Es gibt allerdings auch Firmen, die die Quote auf ihre Weise nutzen. Sie schließen ihre Lieferverträge schon vor der Messe ab und sind nur noch „pro forma“ vor Ort. So hielten es 15 von 26 thailändischen Ausstellern gar nicht mehr für nötig, einen Vertreter nach Berlin zu schicken.
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