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De la Madrid erstaunt

■ Letzte Rede des mexikanischen Präsidenten vor dem Kongreß / 100 linke Oppositionsabgeordnete verließen die Sitzung

Mexiko (afp) - Bei der letzten großen Rede des mexikanischen Präsidenten Miguel de la Madrid vor dem Kongreß ist es am Donnerstag zu tumultartigen Szenen bisher unbekannten Ausmaßes gekommen. Über hundert Abgeordnete der linksgerichteten National-Demokratischen Front (FDN) von Oppositionsführer Cuauhtemoc Cardenas verließen während der Rede empört den Kongreß. Zuvor war die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation immer wieder von Oppositionsabgeordneten unterbrochen worden, die mit lauten Rufen gegen den mutmaßlichen Wahlbetrug protestierten und die Regierungsstatistik über die Wirtschaft anzweifelten. Der Präsident reagierte sichtlich erstaunt auf die lautstarken Proteste während der ersten Plenarsitzung des neugewählten Kongresses, in dessen Abgeordnetenkammer die Regierungspartei PRI erstmals seit 59 Jahren nur über eine dünne Mehrheit verfügt.

Die Tumulte erreichten ihren Höhepunkt, als FDN-Senator Porfirio Munoz Ledo den Präsidenten aufforderte, sich zu den Vorwürfen der Opposition zu äußern, die Regierungspartei habe bei den Wahlen am 6.Juli nur durch massiven Wahlbetrug gewinnen können. Doch der Präsident reagierte nicht auf die Anfrage. „Wir wollten ihm Gelegenheit geben, seine Meinung zu diesem Punkt vorzutragen. Doch der Präsident hat einfach weitergeredet als ob wir kein Teil der nationalen Souveränität wären“, sagte der empörte Oppositionssenator. Nachdem Kongreß-Präsident Miguel Montes drohte, gegen die lautstarke Opposition die Ordnungskräfte einzusetzen, verließen diese die Oppositionsbank unter wütenden Zurufen von Abgeordneten der regierenden Revolutionär -Institutionellen Partei (PRI).

Die Opposition, die zusammen über 240 der 500 Sitze in der Abgeordnetenkammer verfügt, hatte in den vergangenen Tagen versucht, zumindest zehn Regierungsabgeordnete auf ihre Seite zu ziehen und damit Salinas seine Bestätigung zu verweigern, der für die Amtsübernahme 251 Stimmen braucht. Sollte Salinas nicht bestätigt werden, müßten Neuwahlen ausgeschrieben werden.

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