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Brüder zur Sonne zur Freiheit

■ Solarforscher aus aller Welt diskutierten über Perspektiven erneuerungsfähiger Energien / Von Gerd Rosenkranz

Noch ist der große Durchbruch nicht erreicht, aber wenn es Anfang der Jahrtausendwende soweit sein sollte, kann die Menschheit aufatmen. Denn rationell gewonnene Energie durch die Sonne, so der Tenor des Berliner Symposiums, ist eine Lösung für die Ewigkeit. Daß die Hoffnung auf die Sonne steigt, zeigte auch die Zusammensetzung der 500 Teilnehmer. Die Alternativen werden mehr und mehr verdrängt, der Vormarsch der High-Tech-Konzerne in den neuen Markt ist nicht zu übersehen.

Die Pause nach den letzten Worten des Redners gerät einen Lidschlag zu lang, dann dankt Sitzungsleiter Horst Selzer artig dem Referenten für seinen Beitrag und sagt, was viele im Auditorium denken: Herr Dr.Eisenbeiß habe „Widerspruch nicht gerade leicht gemacht“. Was soll der Sonnenenergie-Fan und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) dem Abgesandten des Bundesforschungsministers auch entgegenschleudern, nachdem der gerade sein brillant vorgetragenes Loblied auf die Bonner Bemühungen um die erneuerungsfähigen Energiequellen mit der alt-grünen Mahnung: „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geliehen“ abgeschlossen hat?

Mit dem Auftritt von Gerd Eisenbeiß erlebten die etwa 500 TeilnehmerInnen des „6.Internationalen Sonnenforums“, das im Berliner Kongreß-Koloß ICC am Freitag nach vier Tagen und einer Flut von fast 300 Referaten zu Ende ging, Symptomatisches. Erstmals mußte sich die DGS die Rolle des Veranstalters mit der bundeseigenen „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ) teilen. Das war wohl die Bedingung dafür, daß die Bundesregierung (neben dem Berliner Senat) via GTZ und Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, ein Drittel der Kosten für das aufwendige Unternehmen übernahm. Auch eine neue Energiezukunft hängt am Tropf der staatlichen Finanzverwaltung. Und das blieb nicht ohne Auswirkung. Die offizielle Forschungspolitik schimmerte überall durch, das Großforschungs- und High-Tech-Getriebe beherrschte teilweise die Szene. Für die Fortentwicklung der erneuererungsfähigen Energiequellen, die längst nicht mehr auf den Vornamen „alternativ“ hören, muß das nicht unbedingt von Schaden sein. In Berlin kollidierte dieser Trend aber merkwürdig mit dem weltumspannenden Leitthema der Tagung, „regenerative Energien und rationelle Energieverwendung in Industrie- und Entwicklungsländern“ vorzustellen. Die wenigen Beiträge aus der südlichen Hemisphäre blieben Farbtupfer zwischen einer Unzahl von Mitteilungen über die neuesten Erkenntnisse bundesdeutscher Forschungsanstrengungen. Man redete wieder einmal mehr über die „Dritte Welt“ als mit ihr.

„Begeisterung“ bei RWE

Umgerechnet auf die Bevölkerungszahl gibt die Bunderegierung mehr als jedes andere Land für die Solarforschung aus, weiß Gerd Eisenbeiß zu berichten. „Das Engagement ist groß und unübersehbar.“ Für alle erneuererungsfähigen Energien habe man in diesem Jahr etwa 260 Millionen veranschlagt. Zum Vergleich: Für die Atomenergie halte die Regierung 714 Millionen bereit, Tendenz fallend, für die Kernfusion 200 Millionen, Tendenz steigend. Bei der Windenergie wolle man nach dem Growian-Debakel „aufholen, was andere erfolgreicher vorgemacht haben“. Jederzeit könnten „originelle Konzepte“ großzügig gefördert werden. Leider, klagt der Bonner Ministeriale, habe er aber bei Ausschreibungen zur Grundlagenforschung „die traurige Erfahrung einer ganz miserablen Resonanz“ machen müssen. Die Bereitschaft zum Engagement, die den Unis abgehe, habe er an anderer Stelle gefunden: bei den Stromversorgern, die man deshalb nicht weiter beschimpfen dürfe: „Da spüre ich echt Begeisterung.“ Energiesteuer oder Markteinführungshilfen oder beides zusammen kommen für die Bundesregierung dagegen nicht in Frage. Schuld sei die Steuerreform, meint Eisenbeiß. Zu ihrer Finanzierung müßten eben Subventionen abgebaut und nicht noch zusätzliche gewährt werden. Nur einmal provoziert der Riesenhuber-Abgesandte offenen Widerspruch und gedämpftes Murren bei der Mehrheit im Saal. Trotz zig Milliarden an Forschungsgeldern, so seine Erkenntnis, habe die Atomkraft die Entwicklung der erneuerungsfähigen Energien nie gehemmt.

Schrebergarten

Mentalität

Die DGS und die sich formierende Sonnenenergie-Gemeinde versteht sich allerdings keinesfalls als Versammlung strikter Atomkraftgegner, sondern sie rekrutiert sich größtenteils aus Forschern, die ihre Brötchen in Brüter-, Kernfusions- oder Raumfahrtprogrammen verdienten, bevor sie die erneuerungsfähigen Energien als zukunftsträchtiges Feld entdeckten. Insbesondere DGS-Präsident Horst Selzer vermeidet denn auch peinlich jeden Verdacht der Nähe zur grün-alternativen Szene.

Was die in Berlin versammelten trennt, ist nicht nur die Frage: „Wie hälst du's mit der Atomkraft?“. Vor allem sind es die Schrebergartenzäune, mit denen die jeweils eigenen Forschungsinseln gegen kritische Fragen abgeschottet werden. Photovoltaiker gegen Solar-Thermiker, Solar-Wasserstoff -Visionisten gegen Windenergie- und Wasserkraft-Fans, Großforscher gegen Dezentral-Protagonisten, Leute, die noch weiter forschen wollen, und solche, die die „Propaganda durch die Tat“ proklamieren, sich also von Demonstrationsanlagen im Hier und Jetzt eine beschleunigende Wirkung bei deren Einführung versprechen. So geht das munter hin und her.

Kompliziert verlaufen die Fronten im Verhältnis zu den Bedürfnissen der Entwicklungsländer. Hier treffen sich beispielsweise gutgemeinte Versuche, dezentrale, angepaßte Kleintechnologie in der „Dritten Welt“ zu verbreiten, mit der Propagandaformel der Regierenden in Bonn, im Gegensatz zu den südlichen Ländern könne erneuerungsfähige Energie hierzulande auf absehbare Zeit keinen relevanten Beitrag zur Energieversorgung leisten. Andere machen aus jedem Windrad oder Sonnenkocher ein High-Tech-Gerät, mit allen daraus resultierenden Finanzierungs-, Wartungs- und Abhängigkeitsproblemen nach dem Export in die „Dritte Welt“. Drastischer als alle anderen widmete sich Benjamin Jargstorf von einer Bad Homburger Ingenieurgesellschaft und seit vielen Jahren „im Geschäft“ diesem Punkt. Nachdem er die versammelten Windradfreunde mit einer wahren Dia-Orgie kollabierter und sonstwie zerbröselter High-Tech -Windmaschinen konfrontiert hatte, zeigte der Ingenieur traditionelle Windräder in Entwicklungsländern, die zum Teil seit hundert Jahren zuverlässig und technisch unverändert arbeiten. Jargstorfs Fazit: Wenn schon Windräder für die „Dritte Welt“, dann sollten sie ausschließlich vor Ort entwickelt werden - von hier aus allenfalls finanziell, wissenschaftlich oder über joint ventures unterstützt. So weit will Abdel Rahman Shulli, Abgesandter aus dem Sudan, nicht gehen. Er fordert mehr auf die armen Länder orientierte Forschung in den Industrieländern (siehe Interview). Seine Erfahrungen scheinen jedoch Jargsdorf grundsätzlich zu bestätigen. Shulli: „Die meisten Experten kommen zu uns und beantworten die Fragen, die sie sich selbst gestellt haben. Das sind nicht unsere Fragen.“

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