Erbenheim-Hubschrauber unter „Gerichtsbeschuß“

Wiesbadener Verwaltungsgericht weist Sofortvollzugsanweisung für Kampfhubschrauber-Stationierung in Erbenheim zurück / Zweite Gerichtsniederlage von Verteidigungsminister Scholz / Friedensbewegung hat Frist gewonnen  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Das Verwaltungsgericht in Wiesbaden hat am späten Donnerstag abend erneut eine „Breitseite“ gegen Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz abgefeuert. In einer Vorsitzenden-Entscheidung hat das Gericht die Anordnung des Sofortvollzugs für die Stationierung von US -Kampfhubschraubern für rechtswidrig erklärt. Mit der Anordnung wollte Scholz die hessische Landesregierung und die Stadt Wiesbaden zwingen, die Genehmigung für 39 Apache -Hubschrauber für den Militärflugplatz in Erbenheim zu erteilen. Gegen die Sofortvollzugsanordnung hatte der Magistrat der hessischen Landeshauptstadt am Mittwoch einen Eilantrag („Stopp-Antrag“) eingereicht.

Der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht kam - wie vor Wochenfrist seine Kollegen der Verwaltungsgerichtskammer zu dem Schluß, daß die Stationierung gegen das Luftverkehrsgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstößt. Das Gesetz schreibt ein Genehmigungsverfahren zwingend vor. Damit soll betroffenen Kommunen und anderen Gebietskörperschaften Gelegenheit gegeben werden, gegen Vorhaben - wie etwa den Startbahnbau oder andere Erweiterungsmaßnahmen von Flughäfen - juristisch vorzugehen. Scholz wollte Erbenheim ohne Genehmigungsverfahren mit den Hubschraubern bestücken lassen.

Wie es in der Entscheidung der Kammer explizit heißt, ist Scholz mit der Zurückweisung des Sofortvollzugs weiterhin aufgefordert, die US-Army auf die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Stationierung hinzuweisen.

Das Bundesverteidigungsministerium hat eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden angekündigt. Scholz teilte der Landesregierung gestern mit, er habe bei seiner Interessenabwägung die Belange des zivilen Flugverkehrs entsprechend angemessen be Fortsetzung auf Seite 2

rücksichtigt. Dies könne aber nicht dazu führen, daß die Nutzung des Flugplatzes so eingeschränkt werde, daß seine Funktionsfähigkeit für den militärischen Auftrag nicht mehr gegeben sei.

Auf Nachfrage bei der US-Army erklärte der für Erbenheim zuständige Presseoffizier des 5.US-Corps in Frankfurt, daß die US-Army zur Zeit nichts zu erklären habe: Zwar wolle die Army „vielleicht im Oktober“ eine Pressekonferenz zu Erbenheim organisieren, doch die Frage, ob bis zu diesem Termin stationiert wird oder nicht, blieb unbeantwortet: „No detail informations.“

Der Wiesbadener Oberbürgermeister Joachim Exner (SPD) forderte nach der Urteilsverkündung Bundeskanzler Helmut Kohl auf, den Verteidigungsminister umgehend zu entlassen. Scholz, so Exner, sei ein „Sicherheitsrisiko“, da der Minister offensichtlich nicht dazu in der Lage sei, dem bundesdeutschen Recht bei den NATO-Partnern zur Geltung zu verhelfen. Exner: „Scholz hat nach Ramstein festgestellt, daß die NATO-Truppen das bundesdeutsche Recht zu respektieren hätten. Das muß dann ja auch für Erbenheim gelten.“ Auch die Grünen im hessischen Landtag begrüßten gestern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Ihr Sprecher Georg Dick thematisierte den Konflikt der Parteifreunde Scholz und Wallmann: „Im Gegensatz zu Franz Josef Strauß wird Wallmann in Bonn offensichtlich nicht ganz ernst genommen.“

Der Sprecher der „Kampagne ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung“, Ingo Laubenthal, erklärte gegenüber der taz, daß man im Kampf gegen die Stationierung bestätigt worden sei. Doch die Gerichtsentscheidungen würden noch keinen dauerhaften Erfolg garantieren, denn die Apache-Hubschrauber seien schon „im Anflug“. So wollen Friedensfreunde vom Mittelrhein bereits Binnenschiffe gesichtet haben, die gut verpackte Helikopter stromaufwärts transportieren würden.