Man nimmt halt alles mal so mit

■ BREMINALE Musik am Freitag: „GTE Unlimeted“, „Lance“, „Scraps“ und „Candy Dulfer's Funky Stuff“. Aber alles ein bißchen vielfältig-beliebig und schlecht getimed

Uli Sobotta von Bremens „GTE Unlimited“ gibt seinen Kompositionen bisweilen recht programmatische Titel. Eines der Stücke heißt: „Last Night my Friend Al Kooper called me on the Phone and said: 'Let's make this Gig in Los Angeles, and we'll see what will happen.'“ Es ist eine augenzwinkernde Verbeugung. Zu fließenden Gitarrenriffs liefern Posaune und Euphonium - das ist der kleine Bariton -Bruder der dicken Tuba - freie Soli, die mit liedhaften Passagen wechseln, wehmütig und auch mal im Dreivierteltakt, ganz im Sinne vielleicht des amerikanischen Keyboarders.

Die eingesetzten Mittel sind sparsam, meist laufen die Improvisationen der beiden Bläser über Rock-und Bluesrhythmen oder kurze, wiederkehrende Figuren der Gitarre, und nicht immer finden die Instrumente zu solch ruhiger Harmonie zusammen wie in dem Al-Kooper-Stück. Das ist manchmal anstrengend, und für Breminale-Bedingungen war es nicht immer laut genug: Ab halb acht drangen dumpfe New-Wave-Rhythmen aus dem Kraftwerk in die Schleuse, mischten sich - gar nicht passend - mit den ruhigeren Passagen und lockten - oder trieben - eine Reihe von Zuschauern nach draußen. Nicht zum ersten Mal konnte man den Eindruck haben, daß Vielfalt, Beliebigkeit und gedankenloses Ti

ming der Angebote auf der Breminale den Genuß stark trübten und zu beiläufigem und belanglosem Konsumieren geradezu verführten.

Man nimmt halt alles mal so mit: Hier ein Viertelstündchen Jazz, mit der Eistüte in der Hand 'rüber zum Bänkelsänger, und dann zehn Minuten klassische Gitarre für den gehobenen Anspruch. Die Leisen jedenfalls hatten es nicht leicht, sich gegen Volksgemurmel, Herumgerenne und laute Konkurrenz zu behaupten. die „GTE Unlimeted“ waren dabei noch ganz gut bedient. Sie machten kurz darauf den Jazz-Rockern von „In & Out“ Platz, und die waren wieder laut genug.

Nichts gegen „Lance“, die Verursacher der lauten Töne im Kraftwerk: Ihr störender Krach entpuppte sich bei näherem Hinhören als druckvoller Wave-Rock, sie verströmten eine angemessene Portion angeschmuddelten Hippie-Punk-Sex -Appeal, die sehr hübsche und sehr schwarz gestylte Sängerin gab sich very professional und steht bestimmt auf Liza Dalbello. Ähnlich straight gingen danach die Frauen von „Scraps“ zur Sache. Zur Unterstützung hatten sie sich den Clive Gray nebst Gitarre auf die Bühne geholt, und der - das weiß man - kann mit dem Ding richtig umgehen. Das Ergebnis war eine rauhe, frech und schnell präsentierte Mischung, gewürzt mit viel

Trash und Ska.

Als ein Höhepunkt der diesjährigen Breminale wird aber sicher der Auftritt von „Candy Dulfer's Funky Stuff“ verbucht werden können. Die 18jährige Holländerin, die schon mit vierzehn Jahren ihre erste eigene Band hatte, gilt inspiriert wohl von ihrem Vater, dem Tenorsaxophonisten Hans Dulfer - als großes Talent auf dem Altsaxophon.

Ihre Biografie liest sich schon jetzt wie die einer alten Häsin: Vorprogramm für Madonna, Arbeit mit Hermann Brood und Rosa King, fünfmal bereits beim holländischen North-Sea -Jazzfestival und seit knapp einem Jahr Vorsteherin einer neunköpfigen Band, die am späten Freitagabend das Kraftwerk endlich auf Hochtouren brachte. Volles Haus, gute Stimmung, 90 Minuten Heavy Funk, Rock und Jazz. Allein drei Sängerinnen bot das Line-Up, sehr dunkle Damen, schon optisch ein reizvoller Kontrast zur blonden Candy. Die blies ihr Instrument in der Tat sehr temperamentvoll, konnte jedoch ebensowenig wie ihre Kollegen am Funk-Bass und an der Gitarre einem Musikstil neue Seiten abgewinnen, in dem wahrscheinlich alles schon mal dagewesen ist. So erwies sie sich in erster Linie als perfekte Technikerin. „Wenn die mal dreißig ist“, meinte einer, „wird die richtig gut.“

Rainer Köster