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Eine notdürftig geteilte Vision

■ Eine Platte mit Songs von Woody Guthrie und Leadbelly

Woody Guthrie und Leadbelly waren Vertreter jener alten Schule von Musikern, die ohne technischen Firlefanz, allein mit ihren sechs (Guthrie) oder zwölf (Leadbelly) Gitarrensaiten, durch die Lande tingelten und aus ihrer Erfahrungswelt vorsangen. „This machine kills fascists“ stand auf Woodys Gitarre, und wenn er seine spröde, unprätentiöse Stimme erklingen ließ, beschwor sie Bilder von den Staubstürmen der „Dustbowl“ Oklahomas herauf, von den ausgebeuteten Obstpflückern in Kalifornien, von harter Arbeit und kargem Leben, und man glaubte ihm jedes Wort. Während Guthrie sozusagen den Soundtrack zu Steinbecks „Früchte des Zorns“ lieferte, betätigte sich Huddie Ledbetter, genannt Leadbelly, vorwiegend als Troubadour der Knäste. Mit 32 erschlug er - im Streit um eine Frau - einen Mann, wurde zu 30 Jahren verurteilt, aber nach sechseinhalb begnadigt, pendelte fortan zwischen Gefängnis und Tonstudio hin und her oder machte der Einfachheit halber das Gefängnis zum Tonstudio.

Die in den 40er Jahren von Moses Asch gegründete Plattenfirma „Folkways Records“ brachte die Songs von Guthrie und Leadbelly unter die Leute. 1987 ging sie in den Besitz des Smithsonian Archivs in Washington über. Auf Initiative von Bob Dylan nahmen renommierte zeitgenössische Rockstars nun eine Platte mit Songs von Woody Guthrie und Leadbelly auf, deren Erlös dem Folkway- und Woody-Guthrie -Archiv zugute kommen soll: „Folkways: A Vision Shared“, gleichzeitig eine Hommage an die beiden Musiker und an Moe Aschs Folkways-Label.

Doch die millionenschweren und saturierten Epigonen können den Originalen nicht das Wasser reichen. Nirgends wird die moralische Integrität Woody Guthries oder die krude Rustikalität Leadbellys erreicht. Ex-Beach-Boy Brian Wilson transferiert das Stück „Goodnight Irene“ des Louisiana-Mannes Ledbetter einfach in fröhlichen California -Sound a la „Sloop John B“, Country-Papst Willie Nelson („Philadelphia Lawyer“) und John Cougar Mellencamp („Do-Re-Mi“) präsentieren Guthries Songs als glatte, harmlose Gassenhauer, Springsteen („I Ain't Got No Home“ und „Vigilante Man“) spielt Springsteen, Little Richard ein hastig hingehuschtes „Rock Island Line“, die gottesfürchtigen Iren von U2 machen aus „Jesus Christ“ eine Art Pogues-Parodie, und der unvermeidliche Pete Seeger trällert das unvermeidliche „This Land Is Your Land“.

Überzeugen können nur Taj Mahal mit einer kongenialen Version von Leadbellys „Bourgeois Blues“ über die „bourgeois people“ einer „bourgeois town“ („Washington ain't no place for no coloured man“); Woody-Sproß Arlo mit einem schmucklosen „East Texas Red“ und Bob Dylan, dessen Art, seine Songs herauszuhusten, noch heute verrät, daß er als aufstrebender Jüngling nichts als Woodys Lieder im Kopf hatte. Allein mit Gitarre und Harmonika interpretiert er eines der bissigsten Werke Guthries, die Outlaw-Ballade „Pretty Boy Floyd“, so, wie er sie wohl vor 25 Jahren dem dahinsiechenden Woody an dessen Krankenbett vorgesungen hat: „Now as through this world I ramble, I see lots of funny men, some will rob you with a six-gun and some with a fountain pen.“

Matti Lieske

Folkways: A Vision Shared - A Tribute to Woody Guthrie and Leadbelly, CBS 460905

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