: Nur Öko-Kälber müssen sterben
■ Tier-Fabriken berichten über Umsatzeinbußen bis 80Prozent / Öko-Kalbfleisch hat Konjunktur / Vor allem in Bayern
Berlin (taz) - Kalbfleisch hat keine Konjunktur. In den bundesweit 26.000 Metzgereien ist die Nachfrage nach Kalbfleisch „nahezu auf Null“ gesunken. Das teilte der Deutsche Fleischerverband in Frankfurt mit. Die Folgen des Hormonskandals schlagen jetzt auch auf den Betrieb in den Schlachthöfen durch. So wurde in Frankfurt in den letzten drei Wochen nur ein einziges Kalb an die Schlachtbank geführt. Und die Tierfabriken, die sich auf die Verarbeitung von Kalbfleisch spezialisiert haben, beklagen dpa zufolge inzwischen Umsatzeinbußen von bis zu 80 Prozent. Ein Unternehmen soll deshalb in den nächsten Tagen Kurzarbeit anmelden. Im Sog der illegalen Kälbermast sind auch die Kundenwünsche nach anderen Fleischsorten erheblich zurückgegangen.
Der Trend der VerbraucherInnen heißt: „Kalbfleisch-Kauf ist Vertrauenssache.“ Und der nord-rhein-westfälische Fleischerverband erklärt, nur bei den Metzgern werde noch gekauft, die glaubhaft ihren Kunden versichern können, daß die Kälber „in natürlicher Umgebung und gesund“ aufgewachsen seien.
Drei Wochen nach Bekanntwerden der Hormon-Zucht ist die Nachfrage nach „Öko-Kalbfleisch“ stark angestiegen. Die Dachorganisation der rund 300 organisch-biologisch produzierenden Landwirte berichtet, daß sich die Öko -Produzenten der Nachfrage kaum erwehren könnten. Dabei ist das Öko-Kalbfleisch erheblich teurer als das herkömmliche, im Hormonverdacht stehende Fleisch. Insbesondere in Bayern soll die Nachfrage das Angebot weit übersteigen.
Aus Gründen des Verbraucherschutzes hat jetzt auch die „Arbeitsgemeinschaft kritische Tiermedizin“ den Einsatz von leistungssteigernden Medikamenten in der Nutztierhaltung entschieden abgelehnt. Es bestehe der Verdacht, daß die Rückstände der Medikamente in einem ursächlichen Zusammenhang mit der ständig steigenden Zahl an Lebensmittelallergien stünden. Der illegale Einsatz von Medikamenten sei in den Großbetrieben gang und gäbe. Sie dienten überwiegend nur „zur Verschleierung und Nachbesserung von Krankheiten, die durch die einseitige Leistungszucht und artfremde Haltung erst verursacht werden“. Vorstellbar sei - so die kritischen TierärztInnen daß die industrialisierte Tierhaltung, die sich in Nord- und Westdeutschland immer mehr durchsetzt, ohne den Einsatz dieser Pharmaka gar nicht mehr funktionieren würde.
wg
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