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Ramsteiner Fluchtag-betr.: Gedanken zum Flugzeugunglück

Hat denn niemand Erbarmen mit den 250.000 unschuldigen Opfern des Flugtags von Nörvenich, die am falschen Ort in die falsche Show geraten und denen so der Kerosin- und Perversenkitzel von Ramstein entgangen ist? Gibt es denn in diesem unserem Lande noch immer keine Versicherung gegen die Katastrophe des Ausbleibens der Katastrophe? Oder hatte Nörvenich mit Johannes Rau ganz einfach den besseren Schirmherrn?

Merke: Es kostet 50 verkohlte Menschen und 350 Schwerverbrannte, damit ein christlich-demokratischer Bundeskanzler die Absage des nächsten, des Lechfeld-Flugtags durch seinen christlich-demokratischen Verteidigungsminister begrüßt. Wahrlich, am Himmel dieses allerchristlichst regierten und unaufhaltsam vor sich hin verkohlenden Landes hängen noch viele - Ramsteiner Fluchtage.

Michael D. Düllmann, Bonn 1

Gedanken zum Flugzeugunglück

Zu viele Tote, noch mehr Verletzte. Hinterher ist man immer klüger, sogar die Politiker. Tote im eigenen Land bei Flugshow, mehr Tote bei Reaktorunglück „ganzweitweg“: Weitere Flugshows abgesagt - in Wackersdorf wird weitergebaut, Brokdorf geht wieder ans Netz (sogar die Politiker?).

Es gab Leute, die haben es zwar nicht vorhergesehen, aber geahnt und - freilich nicht nur aus diesem Grund - zum Boykott aufgerufen: Wer nicht hören will, muß fühlen.

Drei Flugzeuge weniger, vielleicht könnte man jetzt doch, wenigstens ein paar, Kampfhubschrauber in Erbenheim stationieren. Mit Flugshow zur Wieder-Einweihung des Platzes.

Eine Flugshow verschmutzt die Luft. Seit dem 28.8.88 gibt es 38 (?) Menschen weniger, die der Umwelt schaden könnten. Ausgleichende Gerechtigkeit?

Tschernobyl ist fast vergessen. Wann findet die nächste Flugshow statt?

Wozu sich aufregen? Zum Wesen des Militärs gehört nun mal auch die Hinnahme des Verlusts an Menschenmaterial.

Jörg

Wenn man die Berichte über Ramstein liest, ist man mit ein wenig Sarkasmus geneigt zu sagen: Die sind selber Schuld, wenn sie zu Tode gekommen sind. Wer sich solchen militärischen Sonntagsrummel ansieht, muß wohl nicht ganz dicht sein.

Kriminell wird die Sache, wenn man da noch Kinder mit hinschleppt - hier ist nach meiner Ansicht der Tatbestand der fahrlässigen Tötung (Abhängiger) gegeben. Wenn Minister Scholz trotz aller Warnungen so etwas zuläßt, so trifft dieser Tatbestand für ihn ebenfalls zu.

Falko Conrad, Laufenburg

(...) Sowohl Verteidigungsminister Scholz, als auch Ministerpräsident Vogel müssen persönlich die Verantwortung für ihre Mitschuld an der Katastrophe tragen. Man darf gespannt sein, was sie den Angehörigen sagen werden. Sie können sich jedenfalls nicht darauf berufen, sie seien nicht gewarnt gewesen. Wenn die Beteiligten noch einen letzten Funken Anstand besitzen sollten, so treten sie unverzüglich von ihrem Ämtern zurück.

Stefan Fischer, Köln

Mein Vorschlag: Alle SPD-regierten Bundesländer halten Flugtage ab, um zu zeigen, daß bei ihnen so was nicht vorgekommen wäre. Vielleicht am besten nur mit geladenen Gästen wie Strauß, Gauweiler und Konsorten. (...)

Brandy

„Der Bürger hat ein berechtigtes Informationsbedürfnis.“ Scholz, Verteidigungsminister.

Hundertausende völlig verblödeter Menschen, scharf auf Katastrophen, strömen zu diesen „Informationsschauen“ und erleben, wenn es sich gelohnt hat, ihren eigenen, schrecklichen Tod.

Mein Mitgefühl haben nur die betroffenen Kinder, die von ihren idiotischen Erziehungsberechtigten(!) zu diesem Mumpitz geschleppt werden.

Udo W. in Essen

(...) Richtig ist euer Hinweis auf die Tiefflieger, die täglich auch Gegner der irrsinnigen Rüstung gefährden. Aber wer regt sich schon in unserer Gesellschaft über Opfer „für die Gesellschaft“ auf? Unsere spätchristliche Moral nimmt es ohne Aufschrei hin, daß das Blutbad auf den Straßen jährlich 10.000 Menschen und mehr aus Bequemlichkeit tötet. Nur hier werden auch Fußgänger und Radfahrer gekillt, die diese verbrecherische Verkehrspolitik ablehnen. In Ramstein hat es die erwischt, die sich am Spiel mit dem Feuer aufgeilen.

F. Mätzold, Glashofen

... ich verstehe nicht, warum man die Flugtage in Lechfeld/Augsburg absagt. Dies wäre doch eine gute, steuerbegünstigte Gelegenheit für Hobbyflieger Strauß&Co. es den italienischen Kollegen mal so richtig zu zeigen, wie man es besser macht ... Parallelen zu anderen Ereignissen sind fast zufällig.

Stefan Holler, Langenhausen 36

Die Katastrophpe von Ramstein kann sich täglich wiederholen, denn ein Teil des militärischen Ausbildungsprogramms sind „High Performance“ und Tiefstflugmanöver. Wie gefährlich solche Übungen sind, kann man dem Fliegerkalender von 1982 entnehmen, in dem ein Journalist über einen Mitflug berichtet: „Hauptmann Dreher, der Pilot eines zweiten Starfighters, knapp einen Meter von unseren Stummelflügeln entfernt, sieht herüber, nickt kurz und reißt die Maschine nach oben. Jetzt 'sitzt‘ er mit seinem Starfighter dicht über uns - 'In-Trail'-Formation heißt es im Fachjargon. Für beide Piloten ein Manöver, das wiederum die ganze Aufmerksamkeit abverlangt. Ein falscher Steuerausschlag - es wäre aus.“ Dieses Manöver fand übrigens genau dort statt, wo 1985 und 1987 jeweils zwei Phantom-Flugzeuge zusammenstießen, im Luftraum über Bremerhafen.

In einer internen Anweisung des Verteidigungs-Ministeriums ist nachzulesen, was offiziell immer geleugnet wird. Es gibt Gebiete, in denen die Mindestflughöhe für Strahlflugzeuge auf 100 ft (30 Meter) über Grund herabgesetzt wird. Nicht in Labrador, sondern über bundeseigenem Gebiet finden diese Übungen statt. (...)

Über 40 Todesopfer in Ramstein, Gesundheitsschädigungen und Körperverletzungen sind der Preis der Freiheit. Die meisten Volksvertreter unterstützen diesen Wahnsinn und weisen jede Verantwortung von sich, wenn die Auswirkungen sichtbar werden. Haben wir nicht in der Schule gelernt, daß die Politiker Schaden vom Volke abwenden? Versagen sie, oder haben sie wirklich keine Macht? Leben wir in einer Demokratie, einer Militärdiktatur oder in einem von „Freunden“ besetztem Land? (...)

W. May, Vorsitzender der BI gegen Tieffluglärm e.V., Biebelnheim

Leider wird in euren Berichten ein wichtiges Detail vergessen. Noch drei Tage vor der Flugschau meinte der pfälzische CDU-Regierungspräsident Dr. Schädler dazu aufrufen zu müssen, daß möglichst viele Bürger den Flugtag besuchen und so ihre Verbundenheit mit den USA zum Ausdruck bringen sollten. Bei der Frage der politischen Verantwortlichkeit muß deshalb nicht nur nach dem Ministerpräsident und Verteidigungsminister gefragt werden.

Auch nach der Katastrophe ist es für den pfälzischen Regierungspräsidenten ein „schweres Wort“, wenn die Pfälzische Protestantische Landeskirche den Flugschaubesuch als eine „Vergötzung von Kriegsgerät“ bezeichnet. Im übrigen weist er darauf hin, „daß er nicht der Veranstalter“ war und „auch nicht vor der Veranstaltung gefragt“ worden sei. Ja, warum hält er dann nicht seinen Mund? Wann wird der Ministerpräsident Konsequenzen aus den Peinlichkeiten seines von ihm eingesetzten Beamten ziehen?

Bernhard Kukatzki, Schifferstadt, Die Grünen im Bezirkstag Pfalz

Was ist passiert? Drei Piloten, drei Soldaten, haben - in diesem Fall unabsichtlich - genau das getan, wofür sie ausgebildet werden: getötet; und sind selbst umgekommen dabei. Es ist anders geschehen, als es normalerweise gedacht ist. Und es ist hier in Deutschland passiert.

Aber sind die Kinder, Frauen und Männer in den Ländern, in denen - auch mit deutschen Waffen - tagtäglich getötet wird, durch Piloten, Soldaten, mit denselben Mordmaschinen auf die vorgesehene Art und Weise, weniger unschuldig als die in Ramstein getöteten?

Stoppt den Wahnsinn, ja, aber nicht nur auf Flugtagen! Stoppt ihn überall. Wer von den Piloten und Soldaten der Bundeswehr kann sich noch guten Gewissens dazu ausbilden lassen, genau das zu tun, was wir auf den Schreckensbildern von Ramstein gesehen haben: Menschen verbrennen, verstümmeln, töten - dann aber, im „Ernstfall“, nicht unabsichtlich, sondern bewußt.

R. Gumberger, Moosburg

Vorschlag an Rupert Scholz: Wenn er schon seine Einwände gegen Flugtage nicht bei den Allierten loswird, kann er doch dem Beispiel seiner Kollegin Süssmuth folgen und unter die Plakate, die für Flugtage werben, runterschreiben: „Der Bundesminister für Verteidigung warnt: Flugtage gefährden Ihre Gesundheit“

a.a., Berlin

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