: Sturm aus den hinteren Reihen
Eishockey-Länderspiel BRD - Schweden 1:4 (1:0/0:1/0:3) / Ausgelaugtes Unsinn-Team ohne Chance ■ Aus Dortmund Uwe Deese
Eishockey-Boom, auch in Dortmund, der Stadt des just in die Zweitliga aufgestiegenen ERC. 8.500 Zuschauer fanden trotz RTL-plus-Liveübertragung des zweiten Länderspiels zwischen der BRD und Weltmeister Schweden innerhalb von drei Tagen in die Westfalenhalle, deren Gesellschafter undementierten Gerüchten zufolge das Spiel vom Deutschen Eishockeybund (DEB) für 155.000 DM erstanden und an den Kölner Sender weiterverschachert hatte. Diese Summe ist der höchste Preis, die der Eishockeybund jemals für den Verkauf eines - zudem freundschaftlich ausgetragenen - Länderspiels erzielte.
RTL-plus mischte überhaupt kräftig mit, machte sich über die Hälfte des Eises mit einer Videowand breit, auf der in diffuser Qualität Programme des Senders plus Werbung und Pausenfüller zu sehen waren. An den Banden sah es spärlicher aus: ein Glatzenmittel, Gas, Kofferräume und Süßes wurden dort beworben.
Herzlich wenig trug das bundesdeutsche Team zur Eis-Gala bei, es verlor deutlich und eine Woche vor Beginn der Bundesligasaison konditionell recht ausgelaugt mit 1:4. Einigen Spielern hing wohl noch das mit 4:3 in Garmisch -Partenkirchen gewonnene Freitagsspiel in den Knochen, und des Teams Paradestück, die erste Sturmreihe, die zudem schon Mitte des Spiels durch die verletzungsbedingte Herausnahme von Truntschka zerfiel, war so gut wie nicht da.
Im ersten Drittel, einige Zuschauer hatten noch nicht Platz genommen, war Holzmann zur Stelle und markierte nach 66 Sekunden die dezent umjubelte Führung. Dann war es mit der Herrlichkeit der Unsinn-Truppe schon fast vorbei. Die Schweden erwiesen sich als stock- und kombinationssicherer. Gefährlich wurde es vor dem Tor des schwedischen Keepers Lindmark nur gegen Ende des ersten Drittels. Helmut Steiger aus Reihe 1 verpaßte bei seinem einzig nennenswerten Auftritt an diesem Nachmittag am langen Pfosten lauernd das 2:0, als er bei einer präzisen, weich hereingespielten Vorlage einfach über den Puck stocherte. Sonst dominierten die Schweden, denen jedoch Keeper Beppo Schlickenrieder einige male gewaltig im Weg stand.
Auch zu Beginn des zweiten Drittels waren es die Männer aus den zweiten und den noch weit dahinter befindlichen Reihen, die für ein wenig spielerische Furore sorgten. Hiemer verfehlte nach einer Minute mit einem harten Schlagschuß das Tor nur knapp. Der durch Truntschkas Verletzung in die zweite Reihe aufgerückte Andreas Brockmann schoß 60 Sekunden später nach einer artistischen Rückhandvorlage von Holzmann allein vor dem Tor stehend zu zaghaft in die Fanghand des unglaublich quick reagierenden Lindmark.
Das war's dann schon, die Schweden machten die Räume eng, auch ein Überzahlspiel konnte das BRD-Team in bekannt panischer Manier nicht nutzen. Kaum waren die Schweden wieder komplett, traf Rundqvist in der 37. Minute nach einem katastrophalen Fehlpaß des bedrängten Brockmann das Geviert. Es sollte das einzige Tor eines Stürmers aus der ersten Reihe überhaupt bleiben. Eine Minute später folgte eine Kopie dieser Szene. Diesmal gab Holzmann den Fehlpaß. Es blieb jedoch beim 1:1.
Im letzten Drittel des fairen Spiels (nur jeweils vier Strafzeiten pro Team) spielten die Schweden ihre flüssige Spielanlage souverän aus und kamen durch Nilsson (47. Minute) und einen Doppelschlag von Södergren und Ericsson (53. Minute) zu einem verdienten 4:1-Sieg. Vier Sekunden vor Schluß trafen sie dann auch noch den Schiedsrichter, der wie vom Blitz gefällt gen Eis kippte.
Auffallend noch das stimmliche Engagement einiger prima angeheiterter ECD Iserlohn-Fans, die den Verein des grünen Buches mit Vehemenz wieder in den Deutschen Eishockeyverband hochjubeln wollten. Das Restpublikum pfiff.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen