Überschwemmungskatastrophe in Bangladesh

■ 30 Millionen Menschen von Flut in Bangladesh betroffen / Über tausend Tote / Arme Bevölkerung am meisten betroffen / Monsun und Abholzung des Himaylayas sind Ursache der jährlichen Überschwemmung / Überschwemmungen werden von Jahr zu Jahr bedrohlicher

Dhaka (ips/ap) - 30 Millionen Menschen sind nach Regierungsangaben von der Überschwemmungskatastrophe in Bangladesh betroffen. Die Flüsse treten über die Ufer, zerstören die Felder, überschwemmen Dörfer und stürzen die ohnehin arme Bevölkerung in noch tieferes Elend. Allein in der letzten Woche richteten die Wassermassen in der Landwirtschaft und durch die Zerstörung von Straßen einen Sachschaden in der Höhe von 250 Millionen Dollar an - ein Ausmaß, das einem ganzen herkömmlichen „Flut-Jahr“ in Bangladesh entspricht.

Die alljährliche Überschwemmung ist eines der am leichtesten vorhersagbaren Ereignisse in dem südasiatischen Land mit seinen rund 108 Millionen Einwohnern. Doch den Dorfbewohnern bleiben nur wenige Möglichkeiten zu entkommen, wenn Brahmaputra, Ganges und Jamuna ihr Flußbett verlassen und die Wassermassen Dörfer und Felder überschwemmen. Zwar haben sich Millionen Flutopfer in höher gelegene Landstriche geflüchtet, doch dort gibt es kaum Nahrungsmittel und Trinkwasser.

Letzte Woche wurden die Gebiete um die tiefgelegenen Mündungsdeltas der drei Flüsse überflutet. Mehr als 1.000 Menschen fanden laut Regierungsangaben bis Montag den Tod. Die meisten starben in zusammenstürzenden Häusern, ertranken in den Fluten oder fielen Krankheiten zum Opfer. Nach Angaben des Gesundheitsministers Abdul Munim sind zur Zeit 83.000 Menschen erkrankt, weil es kein sauberes Trinkwasser mehr gibt.

Das Ausmaß des jetzigen Unglücks wird bereits mit dem vom Vorjahr verglichen, als 1.675 Menschen ums Leben kamen und die Höhe des angerichteten Sachschadens 1,2 Milliarden Dollar betrug. Wenn die Fluten sich jetzt noch weiter südwärts bewegen, so fürchtet man in der Regierung in Dhaka, könnte die Zahl der Opfer und die angerichteten Schäden sogar noch größer sein.

Die Fluten zerstören die Felder der Menschen, die sich mit ihrer kargen Ernte ohnehin kaum selbst ernähren können. Viele Felder werden einfach mitgeschwemmt - was bleibt, ist eine karge Sandbank. „Die regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen haben die meisten Bauern Bangladeshs ihrer Existenzgrundlage beraubt“, sagt ein westlicher Entwicklungshelfer.

Fast 60 Prozent der Bangladeshi verdingen sich als Landarbeiter auf den Feldern der Großgrundbesitzer. Sie können meist keine Nahrungsmittel sparen und stehen ohne jeden ökonomischen Rückhalt da.

Die Bangladeshis versuchten bereits, mit ihren mageren finanziellen Ressourcen Dämme und Abflußsysteme anzulegen, doch alle Experten stimmten darin überein, daß das Problem nur stromaufwärts gelöst werden kann.

Mehr als 90 Prozent der Wasserzuläufe von Brahmaputra, Ganges und Jamuna stoßen schon an den oberen Flußläufen zu den drei Hauptflüssen Bangladeshs. Die Wasserscheide von Brahmaputra und Ganges liegt im Gebiet mit der höchsten Niederschlagsmenge der Erde. Dazu kommt die Abholzung der Himalayaberge in Indien und Nepal, die die Erosion verstärkt.

Die heftigen Monsunregen schwemmen die Erdkruste bis in die weitverzweigten Deltas Bangladeshs hinunter. Der auf den Uferbänken der Flüsse angeschwemmte Schlamm bringt zwar einen äußerst fruchtbaren Boden, doch auch im Flußbett selbst sammeln sich die mitgeschwemmten Sedimente an und lassen so den Wasserspiegel ständig ansteigen.

Das Ergebnis: das Ausmaß der alljährlichen Überschwemmungskatastrophe nimmt ständig zu. Von Zeit zu Zeit beraten Bangladeshis und Inder über gemeinsam zu ergreifende Schutzmaßnahmen, doch bis jetzt ist es beim Reden geblieben.

In Bangladesh habe man dem Problem früher zu wenig Aufmerksamkeit gezollt, meint ein westlicher Entwicklungshelfer in Dhaka. Im Rahmen des „Essen für Arbeit„-Programms der Regierung habe man in den vergangenen Jahren Hunderte Meilen von Straßen gebaut, um die Dörfer zu verbinden. Die Straßen würde aber jetzt die natürlichen Abwasserkanäle behindern und die Fluten in die Felder umleiten.