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Anklage

■ Breschnew-Schwiegersohn in Moskau vor Gericht

Recht hat er, der Verteidiger Tschurbanow: Der Prozeß sei politisiert, auf der Anklagebank sitze die ganze Breschnew –Ära. Nur um persönliche Schuld aber dürfe es in einem Strafprozeß gehen, zumal der Angeklagte nur ein Rädchen im Getriebe, selbst ein Opfer gewissermaßen, gewesen sei. Aber Tschurbanow war kein Apfeldieb, sondern stellvertretender Innenminister, dessen Chef Schtschelokow in gleicher Sache Selbstmord begangen hat. Daß er seinen Posten bekam, weil er einst Breschnews Tochter sehr gefiel, macht den Skandal nicht weniger politisch als sein Ausmaß.

Wenn Ganoven in Führungspositionen gelangen, stellt sich immer die Frage, wie das möglich war – zumal ähnliche Skandale immer wieder aufbrechen. In einem System, in dem nicht wirklich gewählt, sondern von oben nach unten kooptiert wird, sind Freundschaften und Familienbande eben hilfreich. Für die Sicherheit sorgen dann Figuren wie Tschurbanow, die das Verschmelzen von Mafia und politischem Apparat, von „Omerta“ und Staatsgeheimnis polizeilich absichern.

Natürlich hätte dieser Skandal, wie viele andere, nicht das Licht der Welt erblickt, wenn der Breschnew-Clan nicht schon entmachtet gewesen wäre. Nun kann er unmittelbar als Argument gegen die „Stagnationsperiode“ und für die Perestroika eingesetzt werden. Wie aber in Zukunft die Grenze zwischen mafiosen und politischen Strukturen institutionell gesichert werden soll, ist noch offen. Einfache Lösungen gibt es nicht, wie auch westliche Staaten zeigen.

Erhard Stölting

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