„Immer noch eine seelische Wunde“

Die frühere Zwangsarbeiterin Hedy Brash über das Unwirkliche ihrer Rückkehr nach Bremen  ■ I N T E R V I E W

Heda Brash war unter den 800 Oberheide-Häftlingen die jüngste. Mit 13 kam sie ins KZ. Als die SS das Lager im April '45 räumte und die Frauen nach Bergen-Belsen trieb, erkrankte sie an Typhus. Nach der Befreiung kam sie mit dem Roten Kreuz nach Schweden. Heute lebt sie in den USA.

taz: Sie waren damals noch sehr jung, haben Sie Ihre Erfahrungen vergessen?

Hedy Brash: Nein. Es ist immer noch eine seelische Wunde. Ich habe keine Kinder bekommen, weil ich immer fühlte: meine Eltern hatten mich nicht beschützen können - würde ich meine Kinder beschützen können?

Es gab in der Bundesrepublik eine Diskussion um die Entschädigung von KZ-Häftlingen...

Ich habe nie davon gehört. Wenn es so etwas für uns gäbe, würde ich es ablehnen. Mein Vater wurde in Ungarn von den Nazis getötet. Wissen Sie, wieviel Geld ich dafür von der deutschen Regierung bekommen habe? 700 Dollar. Ist das nicht lächerlich?

Was fühlen sie, wenn sie jetzt durch die Stadt gehen?

Es ist wie ein Traum. Ich kann mir kaum vorstellen, daß es gerade hier war, unter den Rathausfenstern, wo ich arbeiten mußte. Ein Warenhaus war zerbombt worden, und wir mußten die Trümmer wegräumen. Ich wünschte mir immer, daß ich mal auf dem Bürgersteig gehen könnte, nicht immer in der Mitte der Straße, in Fünferreihen, mit den Wächtern und Hunden hinter uns. Und heute bin ich hier zum Essen eingeladen. Ist das nicht unwirklich?

Ein guter oder ein schlechter Traum?

Beides.

Fragen: Michael Weisfeld