: „Immer prüfen die: Dürfen wir das auch wissen?“
■ Wie die neuen SPDler in den Ministerien mit den alten CDU-Beamten zurechtkommen / Stechuhren für die Amtsschimmel
Gespannt wurden in Kiel die ersten Zusammenstöße zwischen alten und neuen Parteibuchbeamten und -referenten erwartet. Und tatsächlich gab es dann Szenen, die einem eine Gänsehaut über den Rücken jagen. Der neue Pressesprecher eines Ministeriums, der es gewagt hatte, an einem schönen Sonnentag ohne Schlips über den Flur zu gehen, wurde von alten Amtsschimmeln in vollem Ernst gefragt, warum er denn im Urlaub ins Büro komme.
Ein kleiner Beamter, der unversehens zur Finanzministerin gerufen wurde, antwortete ihr am Telefon brav, aber unbedacht: „Jawohl, Frau Simonis.“ Kaum hatte er den Hörer aufgelegt, da befiel den Mann die Angst: Er hatte nicht „Frau Ministerin“ gesagt! Dabei war sie doch so stolz, daß die weibliche Form ihres Titels sogar per Gesetz festgelegt worden ist. Zitternd wartete er im Vorzimmer, nur mühsam konnte man ihn überzeugen, daß man für derlei Formfehler jetzt nicht mehr zur Sau gemacht wird. Vor vier Monaten war das noch anders: Da wurde einer, der es wagte, ohne Jackett die Suite des Finanzministers zu betreten, von Staatssekretär Schleifer prompt hinausgeworfen.
Stellenweise mußten die alten Staatsdiener von ihren neuen Vorgesetzten mit leichtem Zwang in eine angemessene Arbeitshaltung versetzt werden. Das Kultusministerium, die schwärzeste Behörde von allen, bekam Stechuhren, weil Ministerin Eva Rühmkorf es bald satt hatte, daß die alten Abteilungsleiter so selten hinter ihren Schreibtischen saßen. Auch im Finanzministerium ist die Präsenz gestiegen, seit Ministerin Heide Simonis einmal das Brüllen kriegte, weil ein Spitzenbeamter sie einmal beschieden hatte, er habe für eine Besprechung keine Zeit, er müsse jetzt den (Barschel-Helfer) Ahrendsen trösten, der fühle sich in seiner neuen Position in der Bauverwaltung des Finanzministeriums so unwohl.
Auch Engholms neue Pressesprecher haben zu kämpfen. Immer, wenn sie aus einem Ministerium etwas wissen wollen, prüfen konservative Beamte zuerst einmal: „Fällt das in Ihre Zuständigkeit? Dürfen Sie diese Informationen haben? Ist ihr Anliegen legal?“
Von ähnlichen Schikanen berichten die neuen „Parlamentarischen Vertreter“ der MinsterInnen - eine Art Parlamentarischer Staatssekretäre, nur ohne Gehalt - aus den Reihen der SPD-Fraktion: Als Wirtschaftsminister -Stellvertreter Günter Neugebauer etwas über die Förderung des Fremdenverkehrs wissen wollte, bekam er aus der zuständigen Abteilung zu hören: „Die dürfen wir Ihnen sicher gar nicht geben.“ Insgesamt sind große Teile der Beamtenschaft weit entfernt davon, das Parlament als ihren Kontrolleur anzuerkennen.
Praktisch nicht zur Kenntnis nimmt beispielsweise der (übrigens noch kurz vor der Wahl von der CDU fallengelassene) ehemalige Finanzstaatssekretär Carl Hermann Schleifer den Regierungswechsel. Der so auf die Etikette bedachte Herr prozessiert gegen Barschels Medienreferenten Reiner Pfeiffer und brachte es jetzt fertig, vom Land 10.000 Mark Prozeßkostenhilfe zu verlangen. Keineswegs offiziell, sondern in einem mit „Persönlich! Vertraulich!“ gekennzeichneten Schreiben an den Leiter der Hauptabteilung des Finanzministeriums, seinen alten Kollegen Julius Jessen. Die einzig plausible Erklärung für dieses Vorgehen: Schleifer wird gehofft haben, Jessen könne das Geld irgendwie flüssig machen - wie es in früheren Zeiten wohl üblich war.
Ähnliche Desperado-Allüren pflegt Regierungsdirektor Volker Pollehn, Chef der von der CDU eingerichteten, vom Land finanzierten, aber von Regierung und Parlament nicht kontrollierbaren „Jugendstiftung“: Er hat seine Stiftung mit einem Zehnjahresmietvertrag über 600.000 Mark im Haus eines Freundes untergebracht. Erst dank dieses Vertrages soll der Freund in der Lage gewesen sein, das Haus zu kaufen, über die Identität des Freundes schweigt der Stiftungschef selbst gegenüber der Finanzministerin. Nicht wenige vermuten, daß es ein CDU-Kumpel ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen