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Nur noch sechs Monate Arbeitslosengeld für Jugendliche

Bei der heutigen Haushaltsdebatte geht es um Streichungen bei der Bundesanstalt für Arbeit / Auch die Alten sollen mehr zur Kasse gebeten werden  ■  Aus Bonn Oliver Tolmein

In der heutigen Haushaltsdebatte, die sich vor allem mit dem sozial- und arbeitspolitischen Teil der Regierungserklärung beschäftigen wird, dürften die beabsichtigten gravierenden Leistungskürzungen bei der Bundesanstalt für Arbeitim Mittelpunkt stehen. Die vor kurzem bekanntgewordenen Pläne zur 9.Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes - wenn irgendetwas seinen Namen zu Unrecht trägt, dann das AFG soll das erwartete Defizit der Bundesanstalt für Arbeit 1989 um 1,26Milliarden Mark reduzieren. Zur Kasse gebeten werden vor allem ältere ArbeitnehmerInnen, kranke und jugendliche Arbeitslose.

Die scharfe Kritik, die Bundesarbeitsminister Blüm deshalb an seinem neuesten Sparvorhaben von SPD und Grünen zu hören bekommen wird, kann er aber locker wegstecken: Er hatte schließlich ein langes Jahr Zeit, sich seelisch und stimmäßig darauf vorzubereiten. Denn daß 1988 der Rotstift die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zusammenstreichen würde war im Sommer 1987 schon klar: mit der damals beschlossenen 8.Novelle zum AFG wurde der Bundeshaushalt zu Lasten des Etats der Bundesanstalt für Arbeit entlastet. Damals wurden der finanziell ohnehin schon gebeutelten Bundesanstalt die Kosten für bis dahin von ihr nur im Auftrag des Bundes abgewickelte Programm übertragen: Sonderprogramme für benachteiligte Jugendliche, Sprachkurse für Aussiedler und asylberechtigte Flüchtlinge und Leistungen nach dem Bundesbeihilfegesetz für arbeitslose Jugendliche mußten jetzt mit Nürnberger Geldern bezahlt werden - getreu dem Motto: Wer arbeitet soll auch zahlen. Die Neubelastung betrug 950 Millionen Mark, der Bund konnte 900 Millionen Mark als gespart vermelden.

Die „Selbstverwaltung“ der Bundesanstalt protestierte zwar

-aber hier fand die Selbstverwaltung ihre Grenzen. Und die einzigen, die das Gesetz hätten zu Fall bringen können, die Bundesländer hatten zwar „erhebliche Bedenken“, stimmten dem Vorhaben im Bundesrat dann aber doch zu - wenn auch unter Protest. „Bundesanstalt droht Defizit“ prophezeite damals die 'FAZ‘ und die 'Welt‘ kritisierte, die „Augen-zu-und -durch„-Mentalität der Koalition, die Millionen nur verschöbe statt die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Da der Bund verpflichtet ist, das Defizit der Bundesanstalt für Arbeit zu decken, muß die Millionenbelastung jetzt angesichts der roten Zahlen in deren Etat weiterverschoben werden. Als Leistungskürzung für die Arbeitslosenversicherung kommt das Paket jetzt bei der Basis an. Auch die Beschäftigten in der Arbeitsverwaltung selbst müssen ein Halbmilliardenschärflein zum Sanierungsprogramm beisteuern: Stellenstreichungen sind angesagt.

Als einziges umstritten ist die geplante Kürzung der Anspruchsdauer für Arbeitslosengeld für junge Menschen bis zu 25 Jahren. Jugendliche bis zu 20 Jahren sollen demnach längstens sechs Monate Arbeitslosengeld beziehen dürfen, bei bis zu 25 Jährigen soll die Grenze bei neun Monaten gezogen werden. Diese Forderung der FDP stößt zwar innerhalb der CDU auf Kritik, wurde aber, wie es heißt „aus Koalitionsgründen“ in die Vereinbarung mithineingenommen. Experten des Bundesarbeitsministeriums rechnen wegen der notwendigen Übergangsregelungen mit einem Sparvolumen von 30 Millionen Mark 1990 und circa 100 Millionen gesparten Mark 1991. Den größten Batzen soll die geplante Begrenzung der vollen Kostenerstattung bei Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen auf Arbeitslose, von Arbeitslosigkeit Bedrohte und Ungelernte bringen. Für andere bisher Fortbildungs- und Umschulungsberechtigte wird die entsprechende Vorschrift in eine Kann-Bestimmung umgewandelt, die Übernahme der Kosten also ins Ermessen der Arbeitsämter gestellt. Der Spareffekt dieser Einschränkung wird auf 300 Millionen Mark beziffert. 180 Millionen Mark glaubt das Bundesarbeitsministerium der Bundesanstalt sparen zu können, wenn die „Beseitigung der Erstattung der hälftigen Beiträge zur Krankenversicherung der Kurzarbeiter“ beschlossen wird. Für Kurzarbeiter sollen die Arbeitgeber künftig den vollen Krankenversicherungsbeitrag zahlen.

Zur Kasse gebeten werden der Novelle zufolge auch die 63 bis 65jährigen Arbeitnehmer: auch sie sollen künftig Arbeitslosenversicherung bezahlen. Leistungen können sie zwar keine erwarten (weil sie in aller Regel unkündbar sind oder im Falle von Arbeitslosigkeit Rente beziehen), dafür hat die Bundesanstalt mindestens 170 Millionen Mark mehr in der Kasse. Bei Jugendlichen wird, Generationenvertrag muß sein, die Ausbildungsförderung zusammengestrichen. Berufsausbildungsbeihilfe soll künftig nur noch gewährt werden, wenn der/die Auszubildende nicht mehr bei den Eltern wohnt und die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht in angemessener Zeit zu erreichen ist. Was die Auszubildenden Selbstständigkeit kostet spart der Nürnberger Anstalt 14o Millionen Mark. Außerdem sollen bestimmte berufliche Bildungsmaßnahmen aus der Förderung genommen werden: Trainingsmaßnahmen in Betrieben beispielsweise werden nur noch unterstützt, wenn sie mit einem anerkannten, qualifizierenden Abschluß beendet werden, die Weiterbildung von Interessierten in Mangelberufen wird gar nicht mehr unterstützt. Das bringt der Bundesanstalt 60 Millionen Mark. 160 Millionen Mark sollen weitere Begrenzungen bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sparen: Lag die Höchstförderungsgrenze bisher bei 86 Prozent, wird sie künftig bei 80 Prozent liegen. Auch Eingliederungshilfe und Einarbeitungszuschuß für schwervermittelbare Arbeitslose werden gekürzt: statt 70 Prozent wird Nürnberg nur noch 50Prozent zahlen. Einspareffekt: 160 Millionen Mark. Ebenfalls dreistellig soll die Einsparung durch die Anrechnung der Fortzahlung von Arbeitslosengeld im Krankheitsfall auf die Dauer des Arbeitslosengeldanspruches sein. Was die Kosten um 100 Millionen Mark reduzieren soll hat zur Folge, daß sich für kranke Arbeitslose der Anspruch auf Arbeitslosengeld im Krankheitsfalle verkürzen wird.

Das eng geschnürte Sparpaket, das Blüm auf jeden Fall durchsetzen will, soll zum 1.1. 1989 in Kraft treten. Damit der Bundesrat seine erforderliche Zustimmung noch geben kann, muß es spätestens im Oktober im Bundestag abschließend behandelt worden sein. Große Auseinandersetzungen darum können sich die Koalitionsfraktionen also nicht leisten. Nach der heutigen Grundsatzdebatte wird die erste Lesung des Gesetzes am 23.9. stattfinden.

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