: Explosiver Rauch
■ Streitgespräch zum Thema „Rauchen als Gesellschaftskrieg“ / Gesundheitsapostel und Süchtige
„Rauchen als Gesellschafts krieg“ war das Motto der „Talkrunde“, zu der das Hauptgesundheitsamt, das BIPS und das Drogenreferat beim Schulpsychologischen Dienst am Dienstag abend ins Bürgerhaus Weserterrassen eingeladen hatten. Und militant ging es dann in der Tat zu zwischen säuberlich getrennten ca. 80 Rauchern und Nicht-Rauchern.
Die ohnehin explosive Atmosphäre entzündete sich an der unvermeidlichen Zigarette eines renitenten Rauchers, der sich noch dazu als Mitarbeiter der Firma Brinkmann entpuppte. „Wenn der asoziale Kerl seine Zigarette nicht ausmacht, rufe ich die Polizei“, rief ein Mitglied des Nichtraucher Aktionskreises und Moderator Klaus Haak (Radio Bremen) hatte Mühe, die eskalierende verbale Prügelei zwischen „intoleranten Gesundheitsaposteln“ und „charakterschwachen Süchtigen“ zu unterbrechen.
Vergleichsweise sachlich ging es dagegen zwischen den Podiumsteilnehmern zu. Daß Rauchen in aller Regel massive Gesundheitsschäden nach sich zieht, konnte selbst Manfred Körner vom Verband der Zigarettenindustrie nicht leugnen. Beschwichtigend verwies er aber auf die 64 kreb
serregenden Stoffe in der Atemluft, wogegen die im Tabakrauch nachgewiesenen 40 sich relativ bescheiden ausnähmen.
Die Behauptung aus dem Publikum, von hundert Lungenkrebserkrankten sei nur einer Raucher, wußte Karin Eberbach, Lungenfachärztin am Zentralkrankenhaus Ost, kopfschüttelnd richtig zu stellen: Es sei genau umgekehrt, bei 99 von 100 Karzinomen bestehe ein Zusammenhang mit dem Rauchen.
Eine umfassendere Sichtweise vertrat Rainer Müller, Arbeitsmediziner an der Uni Bremen: „Rauchen gehört zu den gesellschaftlich verursachten Risiken“. Vielen Menschen diene es zur Kompensation belastender Arbeits-und Lebensverhätnisse; fast alle in Nachtschicht arbeitenden Frauen seien z.B. starke Raucherinnen. Entschieden forderte Müller gesetzliche Regelungen zum Schutz Alter, Kranker und Kinder.
Dennoch blieb die Solidarität unter den Nicht-RaucherInnen gespalten: „Ich kann den Zigarettengestank besser ertragen als Fanatismus und Diskriminierung“, nahm eine Veranstaltungsteilnehmerin ihre süchtigen Mitmenschen in Schutz.
Franz-Josef Krumacker
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