: Akane und Ingrid
■ Irezumi - Der Geist der Tätowierung, West 3, 22.35 Uhr
Während Akane mit ihrer schneeweißen und feinen Haut in den Armen des jungen Lehrlings Haratsune unter den ritzenden Nadeln des Altmeisters der Tätowierkunst leidet und der Regisseur Takabayashi ihr dafür nur ein Mischgefühl zwischen Lust und Schmerz zugesteht, holt Ingrid sich das Zeremoniell aus den Händen von alten und jungen und filmenden Männern zurück:
„Ein paar Tage nach meiner Hochzeit las ich von einer jungen Frau, die während ihrer Hochzeitsreise jeden Tag von ihrem Ehemann zum Tätowierer geführt wurde und die während der zwei Reisewochen allem zustimmen mußte, was ihr Mann verlangte; außerdem wurde sie am ganzen Körper tätowiert. Ich weiß nicht, ob das wahr ist oder nicht, aber ich habe viel daran gedacht und sogar meinen Mann gefragt, ob er möchte, daß ich mich tätowieren lasse. Er hat mich für verrückt gehalten und gedacht, er hätte eine Wahnsinnige geheiratet, darum habe ich es nie wieder zu erwähnen gewagt.
Seitdem denke ich jedesmal, wenn mein Mann mich fickt, daran, daß ich tätowiert werde, und stelle mir vor, daß ich mich ausziehen muß und tätowiert werde, ohne daß man mich fragt, ob ich will oder nicht. Ich stelle mir vor, wie es wohl wäre, wenn mir so richtig saftige Wörter und Bilder auftätowiert würden. Das bringt mich in Fahrt, und mein Mann denkt dann immer, daß er es ist, der das macht.
Einmal habe ich angefangen, Fotos von tätowierten Leuten zu sammeln und von Mustern, die mir gefielen, aber dann habe ich sie weggeworfen, weil ich Angst hatte, er könnte sie finden. Ich würde mich wirklich gern tätowieren lassen, aber das ist natürlich unmöglich. Aber einfach der Gedanke daran bringt mich in Fahrt. Meistens passiert es aber nur, wenn ich's mit meinem Mann mache; und dann ist da noch eine Kleinigkeit: Wenn ich allzu wild werde und mich herumwerfe und wenn mein Mann aus mir rausrutscht, wird er wütend auf mich. Ich muß mich also ein bißchen vorsehen.
Ich habe nie jemandem davon erzählt, und ich weiß wohl, daß Sie mich für dumm halten werden, aber es passiert tatsächlich.“ (Brief) Aus: Nancy Friday, Die sexuellen Phantasien der Frauen
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