: Generalstreik in Rangun
■ Hunderttausende Birmaner demonstrierten gestern in der Landeshauptstadt Rangun gegen die seit 26 Jahren herrschende Regierung / Rangun durch Generalstreik lahmgelegt / Die Regierung hatte ein Rücktrittsultimatum der Opposition ergebnislos verstreichen lassen
Rangun/Washington (afp/wps) Hunderttausende RegierungsgegnerInnen marschierten am Donnerstag durch die Straßen der birmanischen Hauptstadt Rangun, um ihrer Forderung nach dem sofortigen Rücktritt der Regierung Maung Maung und der Errichtung einer wahren Demokratie Nachdruck zu verleihen. Während in Rangun nach Angaben von Augenzeugen etwa 700.000 Menschen dem Aufruf der Opposition für einen landesweiten Generalstreik folgten, demonstrierten in der größten Provinzhauptstadt Mandalay, 600 Kilometer nördlich der Hauptstadt, rund eine halbe Million Birmaner für ein Ende der 26jährigen Einparteienherrschaft.
Zu dem Streik war es gekommen, nachdem die Regierung ein Rücktrittsultimatum der Opposition am Donnerstag nachmittag ergebnislos hatte verstreichen lassen. Über den staatlichen Rundfunk war verbreitet worden, Staats- und Parteichef Maung Maung halte an der am Montag geplanten Sondersitzung der „Birmanischen Sozialistischen Programmpartei“ (BSPP) fest, die über eine Volksbefragung zur Abschaffung des Einparteiensystems entscheiden solle.
Die Opposition hält dagegen, daß ein Monat der Unruhen den Willen des Volkes deutlich gemacht und der Regierung ihre Existenzgrundlage entzogen hätte. Sie mißtraut zudem den Abgeordneten der Sozialistischen Programmpartei, die noch vor einem Monat gegen ein Referendum zum Mehrparteiensystem stimmten.
In Rangun hatten bereits im Morgengrauen Lautsprecherwagen zu der Massendemonstration aufgerufen. Etwa 60 Gruppen von Demonstranten, die sich nach Stadtvierteln oder Berufsgruppen - wie etwa Angestellte der Ministerien oder der Feuerwehr - zusammengefunden hatten, marschierten mit bunten Fahnen zum Rathaus, wo ein Gottesdienst zum Gedenken an die ein- bis dreitausend Anfang August von der Armee erschossenen Demonstranten stattfand. Während etwa 20 Armeebataillone an strategischen Stellen der Hauptstadt stationiert gewesen sein sollen, verlief die Demonstration friedlich und löste sich ohne Zwischenfälle wieder auf.
Armee-Einheiten, die noch am Vortag in der Innenstadt Streife fuhren und fünf Plünderer erschossen hatten, traten nicht in Erscheinung. Die Evakuierung ausländischer Botschaften mußte am Donnerstag unterbrochen werden, da der internationale Flugverkehr von und nach Rangun lahmliege, und sich auch das Flughafenpersonal dem Generalstreik angeschlossen hatte. Die Regierung verliert unterdessen immer mehr die Unterstützung ihrer Mitarbeiter im Ausland.
In der Parteiführung wird offenbar darüber nachgedacht, sich des zurückgetretenen Parteichefs General Ne Win zu entledigen und ins Exil in die BRD oder nach Österreich abzuschieben. Dies berichtete der Vorsitzende der Asien -Unterkommission des US-Repräsentantenhauses, Stephen Solarez nach seinem Aufenthalt in Rangun am vergangen Wochenende. Das Repräsentantenhaus unterbreitete den Vorschlag, die US-Hilfe auszusetzen, bis eine demokratische Regierung gewählt sei, diese dann mit einem aufgestockten Hilfspaket zu unterstützen. Die USA gewähren Birma in diesem Jahr sieben Mio. Dollar Entwicklungshilfe, fünf Mio. Dollar für ein Anti-Drogen-Programm und 260.000 Dollar für militärische Ausbildung.
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