: Grüne Grenzüberschreitung im PorNo-Dschungel
Die Frauen der Grünen-Bundestagsfraktion diskutierten am Mittwoch über PorNo und Pornos / Der Minimalkonsens heißt „Erotische Gegenkultur“ / Polarisierung zwischen Pornogesetz-Gegnerinnen und -Befürworterinnen durchbrochen ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann
„Wir haben dieses Knäuel von Gewalt, Sexismus und Gesetz, von Phantasie, Sexualität und Erotik, von Kunst und Politik nicht lösen können“, beschrieb die frauenpolitische Sprecherin der Bundestags-Grünen, Regula Bott, zu Beginn eines Porno-Hearings am gestrigen Mittwoch den bisherigen Diskussionsstand zum Thema Anti-Pornographie-Gesetz unter den grünen Parlamentarierinnen. Ihre Eingangsworte hätten allerdings auch die Schlußworte sein können: Am Ende dieser ganztägigen Veranstaltung in Bonn schien das „Knäuel“ fast noch fester gewickelt zu sein. Die Debatte unter den über hundert grünen und nicht-grünen Teilnehmerinnen war in ihrer Komplexität und Sprunghaftigkeit symptomatisch für die ungeheure Schwierigkeit, unter Frauen in dieser Frage einen politischen Minimalkonsens zu finden.
Dennoch war das Vorab-Urteil von Alice Schwarzer in der 'Emma‘ ungerecht: Die Anti-Porno-Protagonistin hatte eine Teilnahme am grünen Hearing abgelehnt, weil „das Resultat schon im vorhinein klar“ sei; in der „grünen Chefinnen -Etage“ würden die „Befürworterinnen der Pornographie um jeden Preis“ überwiegen. Genau diese fatale Polarisierung wurde in Bonn ansatzweise durchbrochen - eine Polarisierung, die den Gegnerinnen der von 'Emma‘ und den Berliner Juristinnen Baer/Slupik ins Spiel gebrachten zivilrechtlichen Gesetzentwürfe unterstellt, sie würden die Erniedrigung von Frauen gutheißen. „Bekenntniszwang und Gedankenverbote“ verhinderten gerade, so das Plädoyer der Wiesbadener Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller, daß sich unter Feministinnen „eine konstruktive Gegenmacht gegen Pornographie“ entwickele.
Die Positionen unter den grünen Frauen sind differenzierter, als Alice Schwarzer es wahrhaben will. Die Mehrheit der Arbeitsgemeinschaft „Frauen auf Partei-Ebene“ hat sich für den Weg eines zivilrechtlichen Anti-Porno -Gesetzes ausgesprochen, das Frauen und Frauengruppen die Möglichkeit zur Klage gegen Porno-Produkte an die Hand geben soll. Die Partei-Frauen forderten damit gleichzeitig die Fraktion auf, parlamentarisch dafür aktiv zu werden. Unter den Fraktionsfrauen überwiegen hingegen in allen Flügeln die Skeptikerinnen. Waltraud Schoppe wendet sich strikt gegen neue gesetzliche Regelungen und auch gegen eine Anti-Porno -Kampagne: Es sei eine „Anmaßung“ und „sexualfeindlich“, für andere Frauen entscheiden zu wollen, was sie schön zu finden hätten und was nicht. Sexualität und Pornographie würden gerade von der „Grenzüberschreitung“ leben; was dabei sexistisch sei, unterliege subjektiver Wertung. Verena Krieger, die beim grünen Streit über das Strafmaß bei Vergewaltigern Schoppes schärfste Gegnerin war, argumentiert in der Konsequenz ähnlich, wenn auch vor einem anderen politischen Hintergrund: Pornographie müsse aus der „dunklen Ecke“ herausgenommen und in die Öffentlichkeit einer gesellschaftlichen Debatte gestellt werden; erotische und pornographische Produktionen von Frauen seien zu fördern: „Wir brauchen eine erotische Gegenkultur.“ Zur neuen grünen Unübersichtlichkeit gehört, daß Christa Nickels sich derzeit am stärksten für eine gesetzliche Neuregelung ausspricht die Rechtspolitikerin hatte in der Strafmaß-Debatte gerade davor gewarnt, die Justiz als Instrument im Kampf gegen Frauenmißachtung zu überschätzen. Anders als Waltraud Schoppe hält sie nun aber das formalrechtlich bestehende Verbot von Gewalt-Pornos (§§131 und 184 StGB) nicht für ausreichend. Es sei doch „absurd“, meint Christa Nickels, nun das Frauen-Heil in alternativer Pornographie zu suchen. Das Schlagwort von der „erotischen Gegenkultur“ war bei der grünen Anhörung in der Tat das einzige, worauf sich alle Frauen verständigen konnten.
Warum aber die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten gegen Pornographie nicht besser ausgeschöpft werden, blieb in Bonn ungeklärt. „Wären wir eine militante Massenbewegung“, räumte die österreichische Feministin Erika Fischer ein, „dann bräuchten wir kein Anti-Porno-Gesetz.“ Ob nun aber ein neues Gesetz oder eine Novellierung des Porno-Paragraphen 184 StGB oder eine Erweiterung der Nebenklagemöglichkeit für Frauen mehr weibliche Macht bringt, ist noch lange nicht ausdiskutiert.
Den nächsten Anlauf macht die SPD-Fraktion in der kommenden Woche mit einer umfangreicheren Anhörung: Zwischen Günter Amendt, Alice Schwarzer und Beate Uhse suchen dann die GenossInnen nach einer Orientierung im PorNo-Dschungel.
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