Festival der Gebührenmusik

■ „Bremer Kulturtagung“: Beim Podiumsgespräch „Medien und Musikleben“ war Hauptthema das „Millionending“: Eine Million aus Rundfunkgebühren für „Festival Alte Musik“

Beim Podiumsgespräch zum Thema „Medien und Musikleben“ im Rahmen der „Bremer Kulturtagung“ (s. taz vom 8. und 9.) ist sie geplatzt, die Bombe, mit der schon Klaus Bernbacher in seiner Eröffnungsrede gezündelt hatte und die unter dem Begriff „Millionending“ am ersten Tag in Andeutungen immer wieder in die Debatte geworfen worden war.

Es handelt sich dabei um folgendes: Laut Gebührenstaatsvertrag muß jede Rundfunkanstalt seit 1. Januar 1988 von den Rundfunkgebühren monatlich zwei Prozent abführen. Dieser Betrag soll dazu verwendet werden, Kontrollorgane für private Anbieter zu finanzieren. Nun gibt es aber im Lande Bremen private Anbieter - noch - nicht. Also ist dieses Geld - eine Million, nach Abzug von 300.000 Mark, die für den privat-Eventualfall abgezweigt worden sind - gewissermaßen frei flottierendes Geld, das eigentlich Radio Bremen für sein Programm zur Verfügung stehen müßte, da es ja aus Rundfunkgebühren erhoben worden ist.

Nun soll aber dieses Geld nicht von Radio Bremen verwendet werden, sondern für ein „Festival Alte Musik“, das in Bremen stattfinden soll und das von Radio Bremen übertragen werden darf: Der Sender als „Durchlauferhitzer“, wie es Bernbacher kürzlich nannte. Und wer bestimmt das? Ein Kuratorium aus acht Rundfunkvertretern und vier Stadtverordneten, Vorsitz: Intendant Klostermeier. Und Manfred Fluß, neben vielen anderen Funk

tionen und Programmdirekto renposten-Begehrlichkeit auch Mitglied des Kuratoriums und Podiumsdiskutant, macht dreist den Geist, in dem sich die Stadtverordneten dieses Kuratoriums zu sonnen scheinen, ganz klar: „Hörfunk und Fernsehen picken sich mit ihren Musik -oder Theaterübertragungen die Rosinen heraus aus dem, was die Kommunen finanziert haben.“

Und darum - so hat es jedenfalls den Anschein - soll nun die Million verwendet werden für eine Veranstaltung „kommunaler Kultur“, weil, wie Fluß in Interessenskollision mit sich selbst behauptet, „das Geld, wenn es an Radio Bremen ginge, dort nur versickern würde.“ Außerdem hat der Parteipolitiker „meine Zweifel, daß Radio Bremen zusätzlich Kultur produzieren würde... Diese Gelder werden für Bürokratien zur Verfügung gestellt. Wir sind die einzigen, die es für Kultur verwenden wollen“, brüstet sich Fluß.

Aber Kultur, das Donnerwort auf dieser Tagung, ist eben auch nur ein Allzweckbegriff für die verschiedensten Interessen, und außerdem ein hochwillkommenes Deckwort dafür, daß man auf kaltem Kuratoriumswege dem öffentlich -rechtlichen Radio Bremen das Verwendungsrecht über Gebührengelder abspricht. „Die Gelder gehören Radio Bremen und werden für kommunale Kulturpolitik verwandt“, waren die einzigen deutlichen Worte in dieser Richtung, gesprochen vom Podiumsmoderator Prof. Dr.

Wolfgang Schäfer. Daß dieses Verfahren „an Verfassungswidrigkeit“ grenzt, wurde nur in der Pause ausgesprochen. Im Saal hingegen ging es vor allem um die kuratoriale Verteilungspraxis der Million.

„Das Kuratorium will die Million nicht hundertmarksweise nach dem Gießkannenprinzip verteilen“, sagte Fluß und wurde vom erbosten Bernbacher zurechtgewiesen: „Es geht um Beiträge von 50.000 Mark, und damit wäre zum Beispiel 'Dacapo‘ geholfen.“ Bernbacher verlangte eine öffentliche Debatte über die Verteilung der Million. „Es hat doch keiner gewußt, daß Anträge gestellt werden können. Wir bringen das Ganze erst an die Öffentlichkeit.“ Und Helga Trüpel aus dem Publikum warf Fluß und dem Kuratorium vor: „Da wollen sich Politiker wie Senatsrat Euler“ (der das Festival favorisiert S.S.-Z.) „nur selbst als Kulturpolitiker profilieren“. Bernbacher brachte es - zum Gelächter des gesamten Publikums - auf den Punkt: „Euler reist nach München, nach Berlin und in andere Städte, und dann kommt er zurück und will auch eine Trompete haben.“

Intendant Klostermeier sagte zum Schluß, er halte zwar „Neue Musik für wichtiger“, habe sich aber „im Grundsatz für das Festival Alte Musik ausgesprochen.“ Er machte allerdings keinen besonders zufriedenen Eindruck - im Gegensatz zu Manfred Fluß, der die Macht auf seiner Seite weiß.

Sybille Simon-Zülch