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Mit Wut und Witz gegen IWF-Banker

Über 120 Gruppen mobilisieren für Gegenkongreß, Demonstration und Aktionstage gegen die Tagung von IWF und Weltbank in West-Berlin / Aktionsmotto: Berlin ist durchgängig geöffnet  ■  Von Till Meyer

Berlin (taz) - Wenn die beiden UNO-Finanzorganisationen Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank Ende September zu ihrer 43. Jahrestagung in West-Berlin zusammentreffen, dann wird diese Tagung von so massiven Kritiken und Protesten begleitet werden, wie es die beiden finanzgewaltigen Organisationen seit ihrer Gründung noch nicht erlebt haben. Weit über 100 nicht-staatliche Organisationen aus der Bundesrepublik werden parallel zu dem Treffen der internationalen Hochfinanz ihren Protest gegen die Politik der beiden Organisation öffentlich dokumentieren.

Getragen wird die Anti-IWF-Kampagne von einem breiten Bündnis von Parteien und Organisationen, die ansonsten nicht unbedingt viel miteinander zu tun haben. Neben der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, den Grünen, der Berliner Alternativen Liste oder dem Bundeskongreß entwicklungspolitischer Gruppen (BUKO) ist die „katholische Landjugendbewegung“ ebenso in dem Bündnis vertreten wie die „Mittelamerikasolidarität“ oder Pro Familia. Drei Tage vor Beginn der offiziellen Tagung wird die Reihe der zahlreichen Gegenveranstaltungen am 23.9. in der Technischen Universität Berlin mit einem zwei Tage dauernden „internationalen Gegegenkongreß“ eröffnet. Dazu erwarten die Veranstalter weit über 1.000 Besucher. Ziel des Gegenkongresses, der mit einer Schlußresolution - der „Berliner Erklärung“ - beendet werden soll, ist es, „öffentlichkeitswirksame Kritik am herrschenden Weltwirtschaftssystem und der Politik von IWF und Weltbank zu formulieren“.

Dazu haben die Veranstalter eine Reihe hochkarätiger Referenten und „sachverständige Anwälte der Dritten Welt“ nach Berlin eingeladen. Zugesagt haben unter anderem der Vorsitzende der Ökonomen Kubas, Laureano Leon, die US -amerikanische Verschuldungsspezialistin Cheryl Payer, der niederländische Ökonom Andre Gunder Frank, aber auch der Berliner DGB-Vorsitzende Michael Pagels ebenso wie Gewerkschafter aus Lateinamerika und Afrika. In insgesamt zehn Foren mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten soll über die Verschuldungskrise der „Dritten Welt“ und über die verheerende Auflagenpolitik von IWF und Weltbank diskutiert werden. Dabei sollen vor allem „politische Alternativen und Strategien oppositioneller Kräfte in der 'Dritten Welt‘ und hier bei uns diskutiert und sichtbar gemacht werden.“

Für den 25.September, also direkt im Anschluß an den Gegenkongreß, haben nahezu alle Träger des Kongresses zu einer Großdemonstration von der Berliner Innenstadt zum Tagungsort der Banker, dem Internationalen Congress-Centrum (ICC), aufgerufen. Hauptredner auf der Kundgebung wird der Vorsitzende der brasilianischen Metallgewerkschaft Luis Lula da Silva sein.

Dieser Protestmarsch zum ICC, zu dem die Veranstalter über 40.000 Menschen erwarten, war Anlaß zu doppeltem Ärger. Den Jungsozialisten war das Wegeziel suspekt. Sie argumentierten plötzlich, „der offizielle Tagungsort, das ICC, ist nicht der richtige Ort, um die Kritik an IWF und Weltbank vorzubringen.“ Die Sprecherin des Trägerkreises dagegen hat schon vor 14 Tagen mittels einer Presseerklärung den begründeten Verdacht geäußert, die Jusos hätten auf Druck des Berliner SPD-Landesvorsitzenden Momper ihre Unterschrift unter dem Aufruf verweigert. Möglicherweise befürchtet man, die protestierenden Massen könnten die Bannmeile, hinter der die Banker ihre Strategien erdenken, durchbrechen.

Die Autonomen wollen sich genausowenig wie die Jusos an dieser Demonstration beteiligen. Allerdings aus anderen Gründen. Sie werfen dem „breiten reformistischen Bündnis“ vor, eine „Latschdemo“ genau für den Tag zu organisieren, an dem die Banker noch gar nicht da seien. Denn als offizieller Beginn der IWF-Tagung gilt der 27.September. Entgangen ist den Autonomen aber offenbar, daß ein Teil entscheidungsrelevanter IWF-Ausschüsse bereits am 21.September ihre Beratungen in West-Berlin, konkret im ICC, aufnehmen. An dem Sonntag, für den die Großdemonstration geplant ist, tagt der Ausschuß, der die Weichen für die „Dritte Welt„-Politik von IWF und Weltbank stellt. Groteske am Rande: die Autonomen planen eine eigene Demonstration für den Schlußtag der offiziellen Banker-Tagung, den 29.September. Dann aber heißt es früh aufstehen - denn die Agenten der Hochfinanz verlassen samt und sonders bereits am frühen Vormittag die Stadt.

Anders als bei der Demonstration gibt es bei den vom 24. bis zum 29. dauernden Anti-IWF-Aktionstagen kein Termin- und Zielortgerangel. Unter dem Motto „Wut, Witz, Widerstand“ ruft das Bündnis, das auch den Gegenkongreß trägt, zu phantasievollen dezentralen Aktionen im gesamten Stadtgebiet auf (siehe Kasten). Dabei soll sich niemand, so vermerken die Veranstalter, an den Terminplan gebunden fühlen: „Berlin ist durchgängig geöffnet.“

Hinweis: In der nächsten Woche stellen wir das „Tribunal der Völker“ vor, das vom 26. bis 29.9. über IWF und Weltbank zu Gericht sitzen wird.

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