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Kein Ball auf Stolti

■ Auf der Suche nach Respekt: KOB beschlagnahmt Karikaturen

So ein KOB hat's schwer. Tagein, tagaus latscht er sich in seinem Sprengel die Füße platt, hat es mit gestohlenen Autoradios, nächtlicher Ruhestörung, Hundekot, Ampel -Sündern, jugendlichem Rowdytum und ähnlich hochspannenden Fällen kapitalen Verbrechens zu tun. Gelangweilt zählt er die Gehwegplatten, horcht auf das Brabbeln aus der umgehängten Funke und pflegt die Beziehungen zu Hausmeistern, die ihn mit brisanten Informationen aus dem Blockleben versorgen. Am Wochenende ist vollends tote Hose. Da trifft es sich um so besser, wenn im Kontaktbereich ein „Friedensfest“ stattfindet, auf dem das gesamte radikale Spektrum links von der FDP vertreten ist. Dann blüht der diensteifrige Grünmann auf, schleicht zwischen den Ständen und Stellwänden herum und hält Ausschau nach Materialien, die geeignet sein könnten, Staats- und Verfassungsorgane zu verunglimpfen.

Auf dem „Steglitzer Friedensfest“ am Samstag wurde so ein bedauernswerter Schutzmann fündig. Am Stand verschiedener Betriebsgruppen von DGB-Gewerkschaften griff der Mützenträger beherzt zu. Er beschlagnahmte drei Karikaturen der Polit-Grufties Strauß, Kohl und Stoltenberg. Auf die amateurhaften Karikaturen warfen Gören mit Bällen, auf daß die Pappkameraden nach hinten wegkippten: Protest gegen die Steuerreform.

Mit den Worten: „Es liegt die Beleidigungsanzeige eines Bürgers vor“, nahm der Beamte die Zeichnungen mit auf die Wache. Ein Gewerkschafter begleitete ihn und kehrte kurz darauf mit den Bildern zurück. Laut Polizei dürfen die Zeichnungen nun nur noch umgedreht gezeigt und nicht mit Bällen beworfen werden, berichtete der Mann. Inzwischen wolle die Polizei die Sache „weiter prüfen“. Eine Stunde später kam der KOB wieder an den Ort der Verunglimpfung. Nun hieß es, daß lediglich eine Beschwerde vorliege, auf die hin die Polizei selbst Anzeige wegen Beleidigung erstattet habe. Diese Anzeige sei aber jetzt zurückgezogen. Mit der Auflage, die Karikaturen nicht zu bewerfen, dürften diese auch wieder richtigherum gezeigt werden.

Gewerkschaftlicherseits wurde das Baller-Verbot folgsam bis zum Ende der peacigen Festivität eingehalten.

henk

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