Plädoyer für ein kleines Denkmal

■ Nachbemerkungen zu einer Diskussion über die Zukunft des Berliner Gestapo-Geländes

Karl Schwarz

Diskussionsveranstaltung zur Zukunft des Prinz-Albecht -Geländes, 24.8. im Gropius-Bau: Ein voller Saal, dicke Luft und Emotion. Eine Woche später - die eigene Emotion an diesem Abend noch immer erinnernd, wenn auch mit gewisser Verlegenheit: Woher diese Wut, die dich da überfiel? Abgedeckt durch ein sicheres Wissen, was denn zu tun sei, war sie ja nicht; und den Personen, gegen die sie sich richtete und ihren Vorstellungen gerecht wurde sie mit Sicherheit nicht. Der Rezensent der taz wundert sich in seiner Besprechung der Veranstaltung zu Recht, wie es denn möglich sei, daß da ein Kreis von Leuten, die in ihrer Grundeinstellung vieles gemeinsam haben, so heftig die nur denkbar unterschiedlichsten Antworten zur praktischen Frage des „was tun?“ vertraten.

Oder sollte dies doch nicht so verwunderlich sein? Die Emotion, die Erregung ob einer bestimmten Formulierung, eines bestimmten Gedankenansatzes - Flucht vor der eigenen Ratlosigkeit? Die kollektive Bereitschaft, sich erregen zu lassen an diesem Abend, die die in diesem Raum Versammelten in eine eigentümliche Nähe zueinander brachte - Ausdruck einer allen, mehr oder weniger, gemeinsamen Ratlosigkeit? Diese Ratlosigkeit Reflex einer objektiven Situation mit mehr Dimension vielleicht, als man zu denken vermag, jedenfalls einem Mehr an Herausforderung - vielleicht auch mit einer anderen Art der Herausforderung - als an und mit diesem Ort abgearbeitet werden kann?

Lore Ditzen zog den Gedanken ein wenig aus: Den Blick, den dieser Ort öffnen hilft, nicht von ihm fesseln zu lassen; den emotionalen Impuls, den er zu geben vermag, weitergeben! So sprach sie nicht von der Zukunft des Prinz-Albrecht-Geländes, sondern von der Aufgabe notwendiger Erinnerungsarbeit an vielen Orten der Stadt: Tiergartenstr. 4, Bahnhof Grunewald, „vergessene“ Orte, so vergessen, wie es bis vor wenigen Jahren auch dieses Prinz-Albrecht-Gelände war. Auch Klaus Hartungs Beitrag war - im Prinzip - ja ein Plädoyer dafür, den Blick nicht auf die Unmittelbarkeit des Ortes zu fixieren, sondern ihn von diesem Orte aus - und geschärft, auch emotionalisiert durch die Erfahrung des Ortes - zu richten auf die größeren Zusammenhänge: Seine Argumentation war eine Attacke auf die deutsche Nachkriegsgeschichtswissenschaft, ihre politischen und kulturellen Voraussetzungen und Folgen.

Hartung leitete hieraus konkret die Forderung nach einem neuen Wissenschaftszentrum zur Erforschung des Nationalsozialismus auf dem Prinz-Albrecht-Gelände ab.

Das, was an diesem Ort singulär ist, seine Unmittelbarkeit, gebrauchen im Verbrauch - für eine gute und wichtige Sache? Die Antwort auf diese Frage verlangt Antwort auf die Frage nach den Chancen eines solchen Unternehmens, wie eine Bewertung der „Sache“ - in Abwägung gegen ihre Kosten, den „Verbrauch“ des Ortes. Welche Chance also hat ein Versuch, von einem neuen Institut auf dem Prinz-Albrecht-Gelände die deutsche Geschichtswissenschaft aufzurollen, ihr zumindest neue Ziele zu setzen - einmal unterstellt die in Betracht kommenden Träger dieses Institutes wären sich in dieser Zielsetztung einig? Und wenn es möglich wäre: Wie wichtig ist eigentlich die „deutsche Geschichtswissenschaft“? Als Instanz der Geschichts-Deutung („Sinn-Stiftung“) ist sie, wie jede Geschichtswissenschaft, Vollzugsorgan des Zeitgeistes. Und als Instanz zur Sammlung und Aufbereitung unseres Geschichtswissens? In welchem Maße geht es bei der im Zusammenhang mit diesem Ort entscheidenden Frage „Wie gehen wir Nachgeborenen mit dem Faktum des von unseren Eltern (und Großeltern) - mit Rollenteilung natürlich praktizierten Unternehmens Völkermord um?“ eigentlich um „Wissen“, „Wissen“ von der Art, wie es Hartung von der Geschichtswissenschaft einforderte? Wozu muß ich oder wer sonst - als Beispiel - die Entwicklung des Geschäftsverteilungsplanes der Abteilung X des Reichssicherheitshauptamtes in der Zeit von sagen wir Oktober 42 bis Herbst 44 kennen? Ich habe nichts dagegen, daß das erforscht wird (obwohl, beiseite gesprochen, mir Leute, die so etwas erforschen, etwas unheimlich sind). Aber warum dies an diesem Ort? Ein Provisorium kann man nicht institutionalisieren

Auf der anderen Seite: Daß es nicht möglich ist, den Ort genau so zu bewahren wie er ist, ist ja auch richtig. Ein Provisorium, das als solches institutionalisiert wird, ist keins mehr. Die Unmittelbarkeit des aus der Verschüttung freigelegten, Zeugnis gebenden Objekts verändert sich mit der Zeit und mit seiner Umgebung:

Demnächst wird das ganze Gelände eine neue bauliche Kante haben; einige besonders wunderhübsche IBA-Bauten am südlichen Rand stehen noch aus. Damit wird dann auch eine Chance vertan sein, die im seinerzeitigen Wettbewerb für dieses Gelände u.a.. von Andreas Reidemeister in Vorschlag gebracht worden war: Bau eines Dokumentations- und Forschungszentrums am Rande des Geländes, mit Blick auf das Gelände! (Diese Variante wurde politisch ebensowenig diskutiert, wie - formale Parallele - der Vorschlag von Halfmann/Zillich im Wettbewerbsverfahren „Zentraler Bereich“, das geplante Geschichtsmuseum jenseits der Spree auf dem ehemaligen Packhofgelände zu plazieren: (Beispiele dafür, wie die Fixierung auf die Unmittelbarkeit des Ortes schon die nächstliegenden stadträumlichen Überlegungen behindert).

So viel zum Stichwort „Ratlosigkeit“. Die Rede aber war von der Emotion an diesem Abend. Seine Emotionen soll man ernst nehmen. Daß die besondere Qualität dieses Ortes sichtbar werde in den Emotionen, die er auszulösen vermag, ist eine richtige, wenn auch vielleicht etwas zu „gelenkige“ Feststellung, die auch an diesem Abend bemüht wurde. Jedenfalls: Drei „Ärgernisse“ waren es, an denen sich die Emotionen entzündeten, die die übergroße Mehrheit des Publikums gegen die inhaltlichen Vorgaben des Podiums revoltieren ließen:

Das Ärgernis einer gezielten Mystifikation von Wissenschaft, Geschichtswissenschaft insbesondere, wurde schon angedeutet. Ihm entsprach die Irritation über eine bestenfalls - naive Didaktik. Und diese beiden „Ärgernisse“ wiederum waren nur Ausdruck, unterschiedliche Ausformungen des zentralen „Ärgernisses“: Einer frisch -fröhlichen Projektmacherei, eines Machbarkeitswahns, für den der Leiter der Veranstaltung, Prof. Rürup, in Zusammenfassung der ersten Diskussionsrunde des Podiums Zustimmung heischend - die Formel fand: Jedenfalls stimme man wohl darin überein, daß hier etwas „Großes“ hin müsse. Etwas Großes

Die Stichworte der Diskussionsbeiträge, auf die er sich dabei berufen konnte, waren gewesen: Forschungszentrum, Bildungsstätte, Dokumentationszentrum, Mahnmal. Schon während der entsprechenden Diskussionsbeiträge waren einige ältere Teilnehmer unter halblautem Protest aufgestanden, um den Raum zu verlassen. Es charakterisiert die Veranstaltung, daß sie teilweise dann vor der Tür umkehrten, sich wieder setzten, den Diskussionsverlauf offenbar ebensowenig ertragen wie sich von ihm lösen könnend.

So korrekt Rürup Zusammenfassung dieses ersten Diskussionsdurchganges war, wenn man sich darauf verständigt, daß „Größe“ sich bemißt nach Kubikmeter umbauten Raumes, Personalstellenplan, dispositiven Mitteln, kurz, nach Geldsummen, so sehr verfehlte sie doch die qualitative Differenz, die auch im Verhältnis dieser ersten Beiträge sichtbar geworden war: Mit Vehemenz betonte Lea Rosh den Unterschied zwischen ihrer Forderung nach einem Mahnmal, einem Monument der Erinnerung für die Opfer, und den diversen Beschäftigungs- und Selbstdarstellungsprojekten für die Enkel der Täter.

Der Beitrag öffnete Schleusen. Daß dieses Gelände ein „Ort der Täter“ gewesen sei, hatte Winters (FAZ) im ersten Diskussionsdurchgang betont und damit seine Vorstellung von einer Nutzung als „Forschungs- und Bildungsstätte“ begründet (Das Gelände kein Ort, an dem man bei Gelegenheit Kränze niederlegt). Jetzt konterte als erster McCullen: Eben weil es „Ort der Täter“ war, muß das Gelände zum Ort der Opfer werden! Geschichtswissenschaft in ihrer notwendigen Fixierung auf die Handelnden zwangsläufig eine Referenz an die Täter? Je akribischer die Forschung ihre Taten nachzeichnet, um so anonymer, um so abstrakter das Schicksal der Opfer? Die Vollendung der geschichtswissenschaftlichen Arbeit - die „Historisierung“ des Mordens - gleichbedeutend mit dem nun endgültigen Tod der Ermordeten? 4 Millionen Namen in Stein

Die Diskussion ließ diesen Gedanken nicht mehr los: Daß es bei dem von ihr geforderten Denkmal um die Erinnerung an individuelle Schicksale gehe und nicht um die Apostrophierung eines abstrakten Verhängnisses, war der Kernpunkt Lea Roshs. Sie nannte Beispiele von Gedenkstätten, bei denen die Auflistung der Namen der Opfer zentrales Gestaltungssmoment ist. „4 Millionen Namen in Stein - das gehe schon technisch nicht“ - war ein Einwand. „Wenn man sie umbringen konnte, wird man auch ihren Namen niederschreiben können“ - war eine Antwort.

Kontrovers blieb dennoch die Frage nach dem konkreten Umgang mit dem Gelände: Lea Rosh plädierte für das große Monument als (auch) aktuelle Bauaufgabe. Die Skeptiker beschworen die Qualitäten des vorhandenen Ortes. Vom Podium wurde am Ende die Diskussion in einer Weise zusammengefaßt, die nochmals erkennen ließ, daß man sich da ganz sicher war, es werde schon in näherer Zukunft eher um die intelektuelle Begleitung konkreter Bauplanungsprozesse gehen, denn darum, den allzeit bereiten Projektemachern in die Arme zu fallen.

Dies - im Abriß - die „Dramatik“ der Emotionen dieses Abends. Welche Erfahrung spiegelte sich in ihnen? Ist diese Erfahrung wie ihre emotionale Verarbeitung dem Problemstand angemessen? Einige ergänzende Anmerkungen zu dem, was ich die drei „Ärgernisse“ nannte: Nolte muß da rein

Mystifizierte Wissenschaft als Treibsatz des Projektes „Forschungsszentrum auf dem Prinz-Albrecht-Gelände“: Man versuche, sich das konkret vorzustellen! Zunächst also der Gründungsbeschluß mit der generellen Zweckwidmung von Seiten des Senates und/oder der Bundesregierung (mit den inhaltlichen Intentionen, wie sie Hartung an diesem Abend artikulierte, natürlich?!); dann die vorbereitende Planungskommission: natürlich muß Nolte da rein (er hat einen Klassiker der Faschismusforschung geschrieben!), dazu natürlich ein Gegengewicht: Ein Kocka plus ein Rürup! - das an Gegengewicht aber doch wohl zuviel: auf Seiten Noltes ist ein Nachwuchswissenschaftler seiner Schule hinzuzugeben! und so weiter - pluralistisch, wie dies bei einem Projekt dieses Zuschnitts geboten ist. Die Kommission macht Pläne - vor allem natürlich Raumpläne: Ob das Prinz-Albrecht-Gelände ausreichen wird? Was braucht man nicht alles: Bibliotheks und Archivräume, Vortrags- und Konferenzräume, Handbibliotheken und Arbeitszimmer der Wissenschaftler, Räume für die Verwaltung, die Kantine, Parkplätze ... Von Ausstellungs- und ähnlichen Räumen für didaktische Ambitionen ist noch gar nicht die Rede. Dennoch sei zugestanden: Mit Hilfe des Druckes der Öffentlichekeit mag es möglich sein, zu erreichen, daß auf einem Innenhof des weitläufigen Gebäudekomplexes eines der freigelegten „Keller -Details“ erhalten bleibt, geschmackvoll eingefaßt in einem Raum-Ambiente anspruchsvoller Muße. Irgendwann wird diese Akademie, dieses Forschungszentrum dann die Arbeit aufnehmen, die Arbeit der Geschichtsschreibung als Wissenschaft: Ihre aktuelle Aufgabe - so hören wir es aus allen Kanälen - in Bezug auf den Nationalsozialismus heißt seine nun endliche „Historisierung“ (ermöglicht durch das nun anstehende baldige Ableben der letzten Überlebenden seiner Opfer).

Was heißt „Historisierung“? Z.B. „nun endlich“ die erste „objektive deutsche wissenschaftliche Biographie Heinrich Himmlers“. Im Klappentext könnte es heißen: „(...) Mit Akribie wie Takt werden Licht- wie Schattenseiten dieser so schwierigen Persönlichkeit (...) Der Blick nicht mehr verengt in der Fixierung auf die Wirkungsgeschichte (...) Verstehbar wird der Mensch und sein Schicksal (...) in der Epoche des Zusammenbruchs der europäischen Ordnung: Der Täter, der doch (auch) Opfer war; Kindheit, bestimmendes Milieu (...) Ermöglicht wurde das Werk durch die intensive neuere Quellenarbeit am Zentrum zur Erforschung des Nationalsozialismus'Berlin (Prinz-Albrecht-Straße) (...) zu Gute kam ihm auch der an diesem Berliner Zentrum geübte Methodenpluralismus: Wissenschaftliche Ansätze, die sich noch in den 80er Jahren gegeneinander formulierten - Reflex eines ideologisch bestimmten A-Historismus - hier auf fruchtbare Weise integriert: Sozialwissenschaftliche Strukturforschung, kulturmorphologische Zusammenschau, und geistesgeschichtliche Deutung (...) Ein Werk, das anknüpft an die großen Traditionen deutscher Historiographie (...) Jede Epoche unmittelbar zu Gott (...) Der in dieser Konsequenz neuartige Verzicht auf retrospektiven Moralismus ein nachdrückliches Zeugnis unserer neuen Unbefangenheit (...)“. Die didaktische Beschlagnahme

Ist diese Szenario wirklich wesentlich überzeichnet?

Die didaktische Beschlagnahme des Geländes unter Stichworten wie: Bildungs- und Begegnungsstätte: Schieben wir einmal alle grundsätzlichen Fragen beiseite, die etwas zu tun haben mit der alten Sentenz „Bilden heißt Vorbild sein“ (obwohl damit vielleicht ein Zentralproblem aktueller politischer Bildungsarbeit angesprochen ist)! Versuchen wir wiederum, konkret zu sein:

Wie kann das denn aussehen - die didaktische Vermittlung des Holocaust an diesem Ort und in Mobilisierung seiner spezifischen Qualitäten (denn sonst brauchte man ja nicht an diesen Ort zu gehen)? Es wird also auf diesem Gelände all das geben, was man für solche Einrichtungen nun einmal braucht, in Loccum, Tutzing oder Glienecke. Die damit zwangsläufig verbundene Zerstörung des gegenwärtigen Ortes gilt als kompensiert durch seine didaktische Aufbereitung. Ihr Medium: Ausstellung(en) - natürlich im allermodernsten Sinne, elektronische etc. Medien jedweder Art und unterschiedlicher struktureller Entstehungsbedingungen. Die Machart, die Konditionierung, die für ein Projekt wie das der didaktischen Präsentation der „Botschaft des Prinz-Albrecht-Geländes“ allein eine tatsächliche Chance hätten, sind in Berlin vorgegeben in den Modellen: Preußen-Ausstellung 1981, Historische Ausstellung 750 Jahre Berlin, 1987 und „Wissenschaft in Berlin“, ebenfalls 1987: Ausstellungen allesamt auf der Grundlage eines programmatischen Verzichts auf Aussagen jenseit des allerflachsten Gemeinverständnisses, genauer: Ausstellungen, deren Aussagen - im Rahmen des qualifizierten Gemeinverständnisses - sich gegenseitig neutralisieren, Ausstellungen, deren Trümpfe die Materialinszenierung und der mehrfach rückversicherte Pluralismus sind - sie mögen „Interessantes“ bieten, „bewegen“ tun sie nichts und niemanden!

Die gegenwärtig kleine Ausstellung auf dem Gelände ist kein Gegenargument. Ihre Qualität ist unmittelbares Resultat ihrer Bescheidenheit, der Begrenzung der Mittel und der Ziele, die ihr den Rahmen gesteckt haben. Sie ergänzt und verdeutlicht die Aussagekraft des realen Ortes statt sich ihm verdrängend aufzudrängen! Sie ist unzeitgemäß „klein“, wo doch „Größe“ angesagt ist - überall und offenbar auch hier? Kleines aushalten

Das war - ich sagte es bereits - das eigentliche Ärgernis dieses Abends: „Wo Großes war, muß auch wieder Großes hin!“ Das hat so niemand gesagt, so zugespitzt vielleicht auch niemand gedacht, aber es war doch der tatsächliche Tenor, wenn da die Vision eines permanenten Kongressbetriebes beschworen wurde, vermittels dessen die Deutschen der Welt demonstrieren werden, daß sie auch in der Geschichts -„verarbeitung“ - wissenschaftlich wie didaktisch - die Weltmeister sind.

Warum kann man selbst angesichts dieses Ortes nicht die „Größe“ aufbringen, einmal etwas „Kleines“ auszuhalten „Kleines“ gemessen an den Möglichkeiten für ein Auftrumpfen gegenüber sich selbst und der Welt?!

Die zentrale Frage zur Zukunft des Prinz-Albrecht-Geländes

-in der kürzeren und mittleren Perspektive -: Wie schützt man es: Vor Projektemachern, den Beschäftigungsneurotikern und Ordnungsfanatikern, den Leuten, die reflexhaft Ritzen verschmieren müssen, „Schandflecken beseitigen“, wie auch vor denen, denen ihr Berufsverständnis gebietet, in allem die „reizvolle Aufgabe“ zu sehen? „Dieser Ort ist Denk -Ort, nicht Bau-Ort“, hielt Waltherr Hämer - weißer Rabe unter den Architekten - kürzlich seinen Kollegen entgegen.

Also ein Plädoyer dafür, alles so zu lassen, wie es ist? Lea Rosh hat mich - zum Teil - überzeugt: Dieser Ort ist über das bisher Geschehene hinaus - zu definieren als der zentrale Berliner Ort des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus. Die Voraussetzung dafür, eine Denkmalsanlage - wie von ihr vorgeschlagen - heute baulich in Angriff zu nehmen, sehe ich als nicht gegeben an. Dies heißt nicht, daß dieses Projekt nicht doch in Angriff zu nehmen ist und zwar auf der Grundlage des von ihr vorgetragenen zentralen Gedankens: Es geht um ein individualisiertes Gedenken. Dies verlangt als Erstes das Sammeln der Namen der Opfer. Mit den Opfern aus dieser Stadt kann man beginnen. Gründen wir also mit dieser Aufgabenstellung die Vereinigung zur Vorbereitung der Mahn - und Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus auf dem ehemaligen Prinz-Albrecht-Gelände!