: Gräflicher Grand Slam
Steffi Graf erklimmt mit 19 den Tennis-Olymp ■ PRESS-SCHLAG
Wonach andere ein ganzes Tennisleben lang streben und es doch nicht erreichen, Steffi Graf ist es bereits mit 19 vergönnt: der Grand Slam, Siege in den vier größten Turnieren innerhalb eines Kalenderjahres. Auf diesem Weg räumte die coole Brühlerin fein säuberlich nacheinander ihre größten Konkurrentinnen beiseite. In Melbourne fegte sie Anfang des Jahres Chris Evert hinweg, die des öfteren gestand, „kein Loch in Steffis Rüstung“ finden zu können und diesmal vor dem Halbfinale gegen selbige Graf vorsichtshalber eine Magen-Darm-Infektion bekam, in Paris war Natalia Zwerewa das hilflose 0:6-0:6-Opfer, in Wimbledon kam die große Vorgängerin Martina Navratilova höchstpersönlich an die Reihe und nun in Flushing Meadow die nahezu gleichaltrige Rivalin Gabriela Sabatini, die einzige, die in der Lage zu sein scheint, den gräflichen Triumphzug in Zukunft wenigstens gelegentlich entgleisen zu lassen.
6:3, 3:6, 6:1 lautete nach tapferer Gegenwehr der Argentinierin das Ergebnis des New Yorker Finales, mit dem sich Steffi Graf als dritte Spielerin nach Maureen Connolly (1953) und Margaret Court (1970) den Grand Slam holte, ein Kunststück, das weder der achtfachen Wimbledon-Siegerin Helen Wills-Moody in den zwanziger noch der „Göttlichen“ (Suzanne Lenglen) in den dreißiger Jahren, noch Chris Evert, noch Martina Navratilova gelang, auch wenn letztere dies hartnäckig behauptet. Zwar siegte Navratilova 1983/84 sogar in sechs Grand-Slam-Turnieren nacheinander, diese waren jedoch auf zwei Jahre verteilt, somit kein echter Grand Slam. Als Trostpflaster bekam Navratilova damals immerhin eine Million Dollar, während Steffi Graf heuer mit einem Diamantarmband vorliebnehmen muß.
Während Vater Graf nach dem Match allenthalben verkündete, seine Tochter habe „völlig verkehrt“ gespielt, Margaret Court ihr „Tennis zum Verlieben“ nachsagte, dichtete 'dpa‘ begeistert vor sich hin: „In Steffi Grafs Gesicht lag eine ernste Bestimmtheit, die sich zwei Stunden später in glückliches Lächeln auflöste.“ Die Realität sah jedoch anders aus. Bärbeißig wie immer stakste die Siegerin nach dem Matchball zum Netz, und es dauerte eine Weile, bis sie sich das erste Pflichtlächeln abrang. Den Grand Slam mag sie noch oft gewinnen, aber Liebling des Tennisvolks wird sie nie sein. Diese Rolle scheint für die nächsten Jahre ohnehin fest vergeben: an den amerikanischen Tennismuppet Andre Agassi, auch wenn diesem die Ikarusflügel im Halbfinale von Altmeister Lendl - dessen Finale gegen Wilander nach Redaktionsschluß stattfand - empfindlich zurechtgestutzt wurden.
Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen