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Klischees-betr.: "Flimmern und Rauschen", taz vom 3.9.88 und Leserbrief v.6.9.88

Betr.: „Flimmern und Rauschen“,

taz von 3.9. S.24 u. Leserbriefseite v. 6.9.

Mit heftiger Enttäuschung stelle ich fest, daß Ihr voll in den gängigen Intellekt-Klischees hängt. Die Zeilen des „Gottesfurcht- und Böses-Gewissen-Käse“ zum Wort zum Sonntag sind mir doch deutlich ins Auge gesprungen, wobei es mich als Kriedgsdienstverweigerer wundert, daß „Gewissen“ jetzt auch schon etwas Negatives sein soll.

Ach, es ist halt gar so chic, mit der Ganz-im-Stil-der -neuen-Zeit-Arroganz jedwede Glaubensäußerungen herunterzumachen und vor allem zu ignorieren, daß es vielleicht noch taz-Leser geben könnte, denen der „Käse“ eine ganze Menge bedeutet und mir persönlich immerhin Veranlassung gibt, mich hin und wieder an meinem eigenem Egoismus zu rütteln und mich darauf hinweist, nicht ganz so viel Mist mit meinen Mitmenschen anzustellen.

Was sind das für spießige Schubladen? Ein taz-Leser ist links, kritisch, gebildet und atheistisch? Ganz konform dazu auch der Brief von R.E.Rückert: „Machen wir diesen Christen einen Strich durch die Rechnungen (...)“ Glaubt Ihr denn, daß dieser gefolterte und gekreuzigte Jude im gewaltlosen Widerstand gegen die Unmenschlichkeit sich zu Gauweiler und Co. gestellt hätte?

Ich fühle mich eigentlich als Christ, habe aber weder eine Kernkraftbegeisterung, noch Armeewahn oder vergleichbare Auswüchse an mir bemerkt. Christen sind also Faschos, obrigkeitsgläubige Heuchler? Neue Christenverfolgungen? Wenn Euch ein anderer Vergleich lieber ist: Karl Marx hat die Schuld an stalinscher Grausamkeit - solch einer Stereotype steht Eure Denkweise in nichts nach und verdirbt mir die sonst sehr geschätzte taz-Lektüre.

Andreas Ströbl, Göttingen

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