Rückblicke - Ausblicke

20 Jahre Frauenbewegung - bei der Vorbereitung auf das Roundtable-Gespräch fiel uns auf, wieviel zu diesem Thema noch zu sagen ist. Wieviele Bereiche es gibt, die des erstaunten, fragenden, kritischen Blicks bedürfen. Die Frauenbewegung hat sich verändert. Sie ist nicht mehr als „radikale Minderheit“ auf der Straße präsent, sie hat ihre aufrührerischen Schriften längst unter das Männer- und Frauenvolk gebracht. Sie ist in fast alle gesellschaftlichen Bereiche gesickert. Frauen unterschiedlichster politischer Herkunft nehmen heute einen Frauenstandpunkt ein, verstehen sich als Feministinnen. Das führt - wie bekannt - zu Spannungen, Auseinandersetzungen.

Wir baten Frauen aus Parteien und Institutionen, über ihre Erfahrungen zu schreiben. Für die SPD wird das Renate Schmidt tun. Jüngst in den Vorstand der SPD gewählt, hatte sie über den Quotenbeschluß Freudentränen in den Augen. Aber die SPD bietet - sicher aus ihrer Sicht - nicht nur Grund für Rührung. Adrienne Göhler, bekannt als die „frechste Frau“ Hamburgs, Mitbegründerin der dortigen Frauenliste der Grünen, wird einen Essay über Irrungen und Wirrungen bei der alternativen Partei beitragen. Gisela Wülffing, Ex -Redakeurin der taz und heute Mitarbeiterin der grünen Bundestagsfraktion, beschäftigt sich mit der Frage, warum sich der Feminismus heute auf der politischen Bühne so gut vereinnahmen läßt.

Für die Gewerkschafterinnen beschreibt Sybille Stamm, Tarifsekretärin bei der IG Metall, den Stand der Dinge. Aber die Welt besteht nicht nur aus politischer Arbeit in den „Institutionen“. Deshalb wird taz-Redakteurin Maria Neef -Uthoff ihre persönliche Sicht der Entwicklunng der letzten Jahre beisteuern. Wie fühlten sich die „Schwestern“ in den Frauengruppen, wie war das mit den Männern? Welche Dogmen und Tabus gab es - und wie sieht es heute aus?

Wichtig für die „Selbstfindung“ war schließlich die Literatur. Den Blick zurück in den feministischen Bücherschrank wirft Christel Dormagen, einst Redakteurin bei der 'Courage‘.

Was sind die blinden Flecken der feministischen Wissenschaft und Forschung? Zu dieser Frage nimmt Barbara Duden Stellung. Sie prägte den Begriff „Arbeit aus Liebe“ oder, wissenschaftlich, „Reproduktionsarbeit“, und initiierte die „Lohn für Hausarbeit-Kampagne“. Eine Autorin, die sich in den autonomen Frauenzusammenhängen heimisch fühlt, fehlt uns noch. Aber wir sind zuversichtlich.

Helga Lukoschat

Die Auseinandersetzung über „20 Jahre Frauenbewegung“ wird jeweils auf einer Doppelseite geführt: Samstag, den 17.9.88 und Samstag, den 1.Oktober. Beiträge „zwischendurch“ sind allerdings nicht ausgeschlossen.