: Irisch-britischer Kampf um Whiskey-Giganten
Die Destiller der grünen Insel wollen ihren Konzern lieber an jeden anderen als an die schottische Konkurrenz verkaufen / Vor neuer Malz-Anis-Connection? ■ Von Ralf Sotschek
Colum Murphy zeigt auf den doppelten Whiskey in seiner Hand: „Das irischste aller irischen Getränke wird bald in ausländischem Besitz sein“, sagt er wehmütig. „Dabei haben wir dieses edle Getränk erfunden und nach Schottland exportiert, auch wenn die Schotten das bestreiten. Selbst das Wort Whiskey stammt aus dem Irischen. 'Uisce Batha‘ heißt Lebenswasser.“ Colum Murphy war bis vor einem Jahr Marketing-Manager der „Irish Distillers Group (IDG)“, die in Irland das Whiskey-Monopol hat. Wir sitzen neben dem Kamin im „Gravediggers“ (Totengräber). Die Kneipe im Dubliner Stadtteil Glasnevin bekam ihren Spitznamen, weil sie neben dem ehemaligen Haupteingang des größten irischen Friedhofs liegt. Früher gab es in der Rückwand der Kneipe ein Loch, durch das die Totengräber ihre Schaufeln steckten. Der Wirt stellte ihnen dann ein Pint Guinness drauf. Hinter der Holztheke stehen auf einem langen Regal sämtliche irischen Whiskeysorten: Jameson's, Power's, Bushmills, Paddy und Tullamore Dew.
Die IDG-Aktiengesellschaft wurde 1965 gegründet, zunächst noch ohne die nordirische Destillerei Bushmills. Der lästige Wettbewerb auf dem einheimischen Markt sollte durch die Konzentration ausgeschaltet werden, damit man sich verstärkt dem Export widmen konnte. 1973 kam schließlich auch Bushmills dazu: der schottische Whisky-Gigant Seagrams tauschte 80 Prozent seiner Bushmills-Aktien gegen 15 Prozent IDG-Aktien. Nun besaß die Irish Distillers Group das irische Whiskey-Monopol, doch die internationale Vermarktung der edlen Tropfen ließ noch immer zu wünschen übrig. Auf dem lukrativen amerikanischen Markt konnte sich irischer Whiskey kaum durchsetzen.
Bis zur Prohibition war irischer Whiskey in den Vereinigten Staaten marktbeherrschend. Doch während des Alkoholverbots 1920 bis 1933 brannten viele AmerikanerInnen Whiskey schwarz und gaben ihm wohlklingende irische Namen. Dadurch wurde der Ruf des irischen Whiskeys ruiniert, weil die Qualität des illegalen Gebräus erbärmlich war. Nach Aufhebung der Prohibition eroberte Scotch Whisky den US-Markt. Der schottische Whisky hat den Vorteil, daß er billiger herzustellen ist: er wird nur zweimal destilliert, während irischer Whiskey dreimal destilliert werden muß. Außerdem benutzen die Schotten ein billigeres Herstellungsverfahren, die Coffey-Destille. Sie wurde um die Jahrhundertwende ausgerechnet von einem irischen Zollbeamten namens Aeneas Coffey erfunden, der seine eigenen Landsleute nicht von den Vorteilen seiner Destille überzeugen konnte.
Der54 schwache Exporterfolg löste nun eine Schmierenkomödie aus, die stark an „Dallas“ erinnert. Die Firma „Gilbeys, Cantrell & Cochrane (GCC)“, die erst im Mai gegründet wurde, warf dem IDG-Aufsichtsrat Unfähigkeit vor und machte das Angebot, sämtliche IDG-Aktien für 3,15 Pfund zu kaufen. Gilbeys gehört dem britischen Multi „Grand Metropolitan“, während Cantrell & Cochrane zu 51 Prozent im Besitz der irischen Brauerei Guinness ist, die im letzten Jahr mit einem skandalträchtigen Coup die schottische „Distillers Group“ (Johnny Walker) aufgekauft hatte. Nach Übernahme der „Irish Distillers Group“ wollte GCC den Konzern in Einzelunternehmen aufspalten und weiterverkaufen. Von den 800 Jobs bei IDG sollten 50 wegsaniert werden - vermutlich im Aufsichtsrat. Der IDG-Aufsichtsrat behandelte die Offerte von GCC daher als „feindseliges Angebot“ und schaltete den Europäischen Gerichtshof ein. Dieser entschied im August, daß das Angebot von GCC gegen den Vertrag von Rom verstoße, weil hier ein Konkurrent eliminiert werden sollte. Damit war die Gefahr jedoch längst nicht gebannt: Grand Metropolitan machte jetzt selbst ein „allerletztes Angebot“ in Höhe von 4 Pfund pro Aktie, obwohl der Börsenpreis lediglich 2,40 Pfund betrug. Die Aktionäre wurden sehr zum Mißvergnügen des Aufsichtsrats weich. In diesem Augenblick zog der IDG Aufsichtsrat einen „White Knight“ aus dem Ärmel: die französische Firma „Pernod Ricard“, deren Anis-Gesöff in den USA ausgerechnet von Grand Metropolitan vertrieben wird. Da Pernod Ricard jedoch keinesfalls einen offenen Wettbewerb mit dem Schnaps-Giganten Grand Metropolitan wagen konnte, mußte man sich einen Trick einfallen lassen, um die Briten reinzulegen, was in Irland allemal auf Zustimmung stößt. So holte Pernod Ricard-Chef Thierry Jacquillat am vorletzten Wochenende die IDG-Aktionäre von den Golfplätzen ins IDG -Büro und machte ihnen ein Angebot von 4,50 Pfund allerdings nur unter der Voraussetzung, daß er für 51 Prozent der Aktien eine verbindliche Zusage erhalte. „Wir treten doch nicht zu einem Fußballspiel gegen Grand Metropolitan an, wenn wir nicht schon vorher wissen, daß wir gewinnen werden“, sagte Jacquillat. Der größte Einzelaktionär, der Obstimporteur FII Fyffe, besiegelte den Verkauf seiner 20 Prozent IDG-Aktien per Handschlag, und auch die staatliche „Irish Life„-Versicherung sagte den Verkauf von 7 Prozent Aktien zu. Als Grand Metropolitan Wind von der Sache bekam, erhöhte der Multi in letzter Sekunde sein Angebot auf 5,25 Pfund. Doch Pernod Ricard-Chef Jacquillat behauptete, er habe noch gar kein offizielles Angebot gemacht. Demzufolge sei Grand Metropolitan nicht berechtigt, das Angebot zu erhöhen. Aber hier machte das Londoner Kartellamt, das auch für die Dubliner Börse zuständig ist, den Franzosen einen Strich durch die Rechnung. Das Kartellamt entschied, daß Pernod Ricards Mauscheleien sehr wohl einem offiziellen Angebot gleichkämen und Grand Metropolitans Gegenangebot deshalb gültig sei. Plötzlich wollten nun FII Fyffe und Irish Life nichts mehr von ihrer verbindlichen Zusage an Pernod Ricard wissen. Irish Life behauptete gar, daß sie nur über 5,75 Prozent der Aktien verhandelt habe. Demnach wäre Pernod Ricard dann ohnehin nur im Besitz von 49,75 Prozent der Aktien und das ganze Geschäft hinfällig.
Jetzt müssen die irischen Gerichte entscheiden, ob der mündliche Vertrag zwischen den Franzosen und den IDG -Aktionären gilt. Gewinner sind auf jeden Fall die Aktionäre. Dank des Streits um das braune Getränk ist der Börsenkurs auf völlig unrealistische 5 Pfund gestiegen. Inzwischen haben wir im „Gravediggers“ den Irish Distillers zu einer Umsatzsteigerung verholfen. Colum Murphy, der auch ein paar IDG-Aktien besitzt, sagt mit schwerer Zunge: „Pernod Ricard hat gewisse Ähnlichkeiten mit General Humbert, der 1798 den Iren im Kampf gegen die Engländer zuhilfe kam.“ Humbert mußte sich den englischen Truppen jedoch damals geschlagen geben. „Grand Metropolitans Interessen liegen beim Scotch Whisky. Für die irische Whiskey-Industrie wäre es daher besser, wenn Pernod Ricard die Aktien kauft“, sagt Murphy. „Solange sie kein Anis in unser Lebenswasser kippen.“
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