: Wider die Militarisierung der Ozeane
Die Forderungen zur Abrüstung des Indischen und Pazifischen Ozeans waren Thema einer internationalen Friedenskonferenz in Sidney Erste Ansätze zur Zusammenarbeit zwischen asiatisch-pazifischen und europäisch-amerikanischen Friedensbewegungen ■ Aus Sidney Guido Grünewald
„Die Regionen des Indischen und Pazifischen Ozeans abrüsten“, lautete der Titel einer internationalen Friedenskonferenz, die am vergangenen Wochenende im australischen Sidney stattfand. Die 151 TeilnehmerInnen, von denen ein knappes Drittel aus Europa, den USA sowie asiatisch-pazifischen Ländern stammte, diskutierten über die zunehmende Militarisierung beider Regionen und Möglichkeiten einer transozeanischen Zusammenarbeit der Friedensbewegungen. Es war das erste Mal, daß FriedensaktivistInnen aus Europa und dem asiatisch -pazifischen Raum in der Region selbst zusammenkamen. Veranstalter war das Internationale Friedensbüro (IPB), eine in Genf angesiedelte, bereits 1892 gegründete Friedensorganisation, die sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Koordinierungszentrum unabhängiger Friedensorganisationen entwickelt hat.
„Es ist sehr wichtig, daß die europäischen Delegierten mit den Leuten aus dem Pazifik und dem Indischen Ozean zusammenkommen und unsere Probleme aus erster Hand kennenlernen“, sagte ein australischer Teilnehmer. „Wir hoffen, daß sie begreifen, daß es auch ihre Probleme sind.“ Ein anderer Teilnehmer sprach von „markant unterschiedlichen Sichtweisen“, die während der Diskussion deutlich geworden seien. In der Tat waren die Einführungsreferate für die anwesenden EuropäerInnen in vieler Hinsicht eine Lehrstunde, in der sich das Bild einer hochgradig militarisierten Region mit einer aktiven, von ihrem europäischen Gegenstück aber deutlich unterschiedenen Friedensbewegung entfaltete. Der INF-Vertrag, in Europa als Erfolg gefeiert, wird von den pazifischen Bewegungen als unzureichend betrachtet, da er lediglich 162 SS-20 Raketen aus der Region entfernt und durch die Verlagerung des Wettrüstens auf die Meere die Militarisierung des Pazifik zu verstärken droht. Gegenstand besonderer Sorge sind die seegestützten Cruise Missiles, die bisher keiner Rüstungskontrolle unterliegen. Die USA haben bereits Schiffe mit atomar bestückten Tomahawk -Marschflugkörpern - die seegestützte Version der Cruise Missiles, die in Europa an Land abgebaut werden - im japanischen Yokosuka stationiert, und auch die Sowjetunion hat weitreichende Marschflugkörper im Pazifik getestet. Im Indischen Ozean operieren ständig US-amerikanische, sowjetische, britische und französische Marineeinheiten. Der 1974 von Großbritannien an die USA verpachtete Stützpunkt Diego Garcia dient als logistische Basis für die schnelle Eingreiftruppe der USA. Und daß jährlich etwa 40 atomar angetriebene und/oder bewaffnete US-Kriegsschiffe den Hafen von Hongkong anlaufen, dürfte in Europa ebensowenig im Bewußtsein sein wie der bemerkenswerte Kampf der Menschen im indischen Baliapal (Bundesstaat Orissa), die seit Jahren die Errichtung eines nationalen Raketentestgeländes verhindern.
Bewegende Ansprachen von Kotra Ureigei von der Kanakischen Befreiungsfront und Kevin Gilbert von der Kampagne „Treaty 1988“ der australischen Ureinwohner machten deutlich, daß der Kampf für Unabhängkigkeit und Selbstbestimmung im Pazifik untrennbarer Bestandteil des Friedenskampfes ist. Der Aufgabenkatalog der Friedensbewegungen im Pazifik ist breit gefächert: Schließung der US-Stützpunkte auf den Philippinen, Verteidigung der atomfreien Verfassung von Belau, Unabhängigkeit für Kanaky (Neukaledonien) und Tahiti -Polynesien, Beendigung der Militärdiktatur auf Fidschi, Stopp der Hafenbesuche atomfähiger Kriegsschiffe und Maßnahmen zur Begrenzung des maritimen Wettrüstens sind die wichtigsten Ziele. Von den EuropäerInnen werden vor allem Proteste gegen die französischen Atomtests erwartet, die ein zentrales Element des Kolonialismus und Militarismus im Südpazifik darstellen.
Ungeachtet unterschiedlicher Herangehens- und Sichtweisen war in Sidney spürbar, daß sich die AktivistInnen aus dem asiatisch-pazifischen Raum und ihre Gäste aus Übersee um gegenseitiges Verständnis als Ausgangspunkt für gemeinsames Handeln bemühten. Ansatzpunkte für koordinierte Aktionen sind durchaus vorhanden. So wie für die Friedensbewegungen in Europa und teilweise auch in den USA sind auch für die Bewegungen in der asiatisch-pazifischen Region ein umfassender Teststoppvertrag, das Verbot chemischer Waffen und atomfreie Zonen Anliegen von hoher Priorität. Weitere Anknüpfungspunkte vor allem mit den Bewegungen im Nordatlantik könnten vertrauensbildende Maßnahmen und Rüstungskontrolle auf den Meeren sein. Viele Hoffnungen der AktivistInnen aus der Region richten sich auf das Internationale Friedensbüro, das unter anderem bei der Schaffung eines Netzwerks im Indischen Ozean und bei der Vernetzung bereits bestehender Netzwerke im Pazifik und Nordatlantik helfen soll. Auch wenn zu befürchten ist, daß diese Erwartungen zu groß sind, könnte das Seminar in Sidney zum Ausgangspunkt einer sich entwickelnden transozeanischen Zusammenarbeit der Friedensbewegungen werden.
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