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Scherf verzögerte Ermittlungen

■ Ehemaliger Gesundheitssenator Scherf verzögerte im Dezember 1987 St.-Jürgen-Ermittlungen, um die Frühpensionierung Gallas über die Bühne zu bekommen / Staatsanwalt mußte ausgewechselt werden

Der zeitweilige Gesundheitssena tor Henning Scherf hat zu Beginn der Enthüllungen im St. -Jürgen-Skandal die Ermittlungen verzögert. Das erklärte gestern der als Zeuge geladene Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde, Axel Brausen. Schon am 11. Dezember 1987 war Brausen nach Hinweisen aus der Klinik zu der Ansicht gekommen, daß in der St.-Jürgen-Straße „Unregelmäßigkeiten im Beschaffungswesen“ gang und gäbe waren. Damals konzentrierte sich Brausens Verdacht noch allein auf das korrupte Bestellen von Desinfektionsmitteln.

Von zwielichtigen Bauaufträgen, überteuerten Tablettsystemen, medizinischen Leihgeräten und etlichen grauen Klinikkassen war noch nicht die Rede.

Brausens damaliger Vorgesetzter Senator Scherf bat Brausen jedoch über seinen Pressesprecher, er möge mit konkreten Ermittlungen im Krankenhaus noch solange warten, bis die Gesundheitsdeputation getagt habe. Denn auf der Deputationssitzung am 17.12. wollte Scherf die staunende Deputation vor die überraschende Tatsache stellen, daß er die gesamte dreiköpfige Klinikdi

rektion ausgewechselt hat. Brausen richtete sich nach Scherfs Verlangen, wurde nach der Deputationssitzung am 22. Dezember jedoch von Senatsdirektor Schönhöfer „massiv gedrängt“, endlich persönlich ins Krankenhaus zu gehen und bei dem in Verruf geratenen Chef-Einkäufer Willi Möhle zu ermitteln.

Diese Ermittlungen vor Ort nahmen Brausen und sein Kollege Guderian unverzüglich noch am gleichen Tag auf, die ebenfalls informierte Bremer Staatsanwaltschaft hatte ihnen diese leidige Aufgabe nicht abgenommen.

Brausen vor dem Untersuchungs ausschuß: „Da war kein Rücklauf. Da kam nichts“.

Noch am gleichen Tag wie Scherf, am 11. Dezember 87, hat auch die Staatsanwaltschaft von Axel Brausen über die vermutlich kriminellen „Unregelmäßigkeiten“ im Klinikum erfahren. Staatsanwalt Litzig versprach, einen Kollegen mit dem Thema zu betrauen. Dieser Kollege, Oberstaatsanwalt Stegelmann, vergißt das Thema jedoch „ein wenig über die Weihnachtstage“ (Brausen) und meldet sich erst am 22. Januar telefonisch in der Gesundheitsbehörde. Auch in den folgenden Monaten sind die Ermittlungen Stegelmanns nicht gerade durch Spürsinn oder Tiefschürfigkeit geprägt - ganz im Gegensatz zu den mit „St.-Jürgen-Gate“ betrauten Kripo-Beamten. Oberstaatsanwalt Stegelmann muß schließlich sogar durch einen anderen Kollegen, Staatsanwalt Spielhoff, ersetzt werden, der endlich die Ermittlungen engagiert vorantrieb.

Axel Brausen wiederum fertigte als pflichtbewußter Beamter einen Vermerk an über seinen Ortstermin, sein fünf-bis sechs -stündiges Gespräch mit dem Chef-Einkäufer Willi Möhle. Er erfuhr, daß der Klinikkeller mit

untauglichen Desinfektions mitteln vollgestopft ist, die Klinik-Einkäufer Möhle allesamt über den unseriösen Pharma-Vertreter Karl Wenkel bezogen hatte. Und er erfuhr, daß Wenkels Firma „Scarapharm“ zum Zeitpunkt des Verkaufs noch gar nicht eingetragen, das Desinfektionsmittel noch gar nicht gelistet war.

Brausens mehrseitiger Bericht wurde von seinem Senator Scherf zur Kenntnis genommen, was diesen Senator allerdings nicht hinderte, am 25. Januar 1988 vollmundig in der Bürgerschaft zu verkünden, von Unregelmäßigkeiten im Beschaffungswesen des Klinikums sei ihm nichts bekannt. Es handele sich bei den Pressemeldungen um „vage Verdächtigungen“.

Die Presse hatte das Thema zwei Tage vor dieser Bürgerschaftssitzung aufgegriffen (taz vom 23.1.88: „Warum Galla wirklich ging“). Über seine Reaktion nach den ersten Zeitungsartikeln berichtete Axel Brausen gestern: „Ich habe gemeint, daß es keinen Sinn hat, die Sache weiter zu verzögern“. Brausen verabredete sich mit dem Oberstaatsanwalt Stegelmann, der dann jedoch - siehe oben die Sache seinerseits nicht so dringend nahm.

B.D.

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