Durchsuchungstango und Spitzel-Abwehr

■ Während einer Veranstaltung zu Verfassungs- und Staatsschutz wurde ein Mann festgenommen / Mehrfach-Durchsuchungen in der Manteuffelstraße

Mitten in eine Veranstaltung über die Arbeitsweise von Verfassungsschutz und Staatsschutz am Montagabend im Mehringhof platzte der Ernstfall: „Mensch, gerade hat ein Trupp Zivis den Typ vom Büchertisch vor der Türe festgenommen“, unterbrach eine aufgeregt in den Saal stürzende Frau die bereits anderthalb Stunden währende Veranstaltung.

Obwohl ein großer Teil der gut 500 ZuhörerInnen aus dem Saal zum Ort des Geschehens stürmte, konnten sie nur noch die Polizeifahrzeuge mit dem Festgenommenen verschwinden sehen. Nach Angaben des Polizeisprechers wurde der 29jährige Mann, Betreiber des „Kopierladens“ in der Kreuzberger Manteuffelstraße, „durch Zufall von einem Fahndungstrupp der Polizei erkannt und festgenommen“. Der Grund ist ein erst vier Tage altes „Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch und Widerstand gegen die Staatsgewalt“. Dieses Verfahren sei am letzten Donnerstag eingeleitet worden, weil der 29jährige anlässlich einer anderen Hausdurchsuchung in derselben Straße die Polizei behindert haben soll (die taz berichtete). Anlaß genug für die Polizei, unmittelbar nach der Überraschungsfestnahme auch den Kopierladen des Mannes zu durchsuchen. Dabei, so die Polizei, habe man vier Personen angetroffen und festgenommen, die aber inzwischen alle wieder freigelassen wurden. Allerdings nicht ohne zuvor auch noch die Wohnungen der vier zu durchsuchen.

Gleichzeitig interessiert sich aber auch die Bundesanwaltschaft für den Betreiber des Kopierladens und ließ ihrerseits den Laden gestern Mittag erneut durchsuchen: Die Begründung der Bundesanwaltschaft: „Gegen den Mann läuft seit längerem ein Ermittlungsverfahren nach Paragraph 129a.“ Konkret wirft die BAW dem 29jährigen die „Herstellung und Verbreitung“ eines Buches vor, in dem nach Ansicht der BAW der „Terrorismus“ verherrlicht wird. Aber in keinem der beiden Verfahren ist Haftbefehl ergangen und auch der 29jährige befindet sich seit gestern Nachmittag wieder auf freiem Fuß.

Nach dem realitätsbezogenen Eingriff in das Thema, brachten die Veranstalter im Mehringhof ihre Beiträge sachlich zuende. Mit fundiertem Wissen über den Einsatz von V-Leuten und über die unterschiedlichen Methoden des Verfassungsschutzes, V-Leute anzuwerben und in „politisch relevante Kreise einzuschleusen“ hatten sie dann wieder die volle Aufmerksamkeit des Auditoriums. Noch in den 70ern bevorzugten Verfassungsschutz und Polizei häufig ehemalige Strafgefangenen mit Kontakt zur Szene, um sie als Spitzel einzusetzen. Heute, so die Erkenntnis der Veranstalter, sei die Szene skeptischer gegenüber solchen „Agents provokateurs“ geworden, und ein Einschleusen solcher Leute sei für den Verfassungsschutz nicht mehr machbar. Ein weiterer Schwerpunkt waren Observationspraktiken und Verhörmethoden. Einziger Ratschlag vom Podium bei Verhaftung: Keine Aussage zu nichts und niemand. Observation durch den Verfassungsschutz werden in der Regel vom Observierten nie bemerkt, wohingegen der Staatsschutz seiner Tätigkeit auffälliger nachgehe und fast immer bemerkt werde.

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