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Es ist ein Vamp entsprungen

■ „Gilda“ von Charles Vidor (1946) mit Rita Hayworth und Glenn Ford: Eine Frau für Männerphantasien, die Vamp sein darf, weil sie am Ende doch Frauchen wird

Zum tiefbewegten Schniefen taugt es nicht, das Haß-Liebe -Melodram über „Gilda“, die Frau für Männerphantasien, die von ihrem ungeliebten Ehemann als Besitzgegenstand vereinnahmt und von dem Mann, den sie liebt, aus lauter Haß beinahe zerstört wird. Tiefbewegt schnieft man im Kino -Melodram entweder, wenn es tragisch ausgeht, oder wenn endlich, endlich das Liebespaar sich zu Himmelsgeigenklängen in die Arme sinkt. Rita Hayworth (Gilda) und Glenn Ford (Johnny) sinken sich zwar am Ende nach tiefgreifenden Mißverständnissen glücklich in die Arme, aber diese Paarung zwischen dem vor Erotik sprühenden Vamp und dem schrecklich durchschnittlichen amerikanischen Biedermann ist eigentlich eher ein Desaster als ein erlösendes Happy-End.

Rita Hayworth als „Gilda“ steht zwischen zwei Männern und braucht die anderen Männer nur anzusehen - schon fällt ihr jeder zu Füßen, der von ihrem Blick getroffen wird. Das ist ihre Waffe, mit der sie sich an dem, den sie liebt und der sie verlassen hat, rächen will. Es ist aber zugleich ihr Schicksal, besser gesagt: das Schicksal des Mythos von der bösen, verschlingenden Frau, wie er von Männern ersonnen wird und von Frauen wie Rita Hayworth verkörpert wurde.

Gilda beherrscht den Film, ob

wohl es natürlich die Männer sind, die über Geld, Spielcasino und - wie ihr Ehemann - gar über die ganze Welt zu herrschen begehren. Über die Frau sowieso: „Sie ist mein Besitz“, stellt Ballin Mandson, ihr Ehemann, klar, und läßt sie von Johnny (Glenn Ford) pausenlos überwachen. Der hat Gilda früher geliebt, sie dann verlassen und verzehrt sich jetzt in Haß-Liebe zu der Frau, die seinen Boss und Freund ständig zu betrügen scheint. Und Gilda, die Nachtclubsängerin, heizt in ihm diesen Glauben an - zu stolz, um ihm zu zeigen, daß sie ihn liebt.

Warum sie diesen Mann allerdings so leidenschaftlich und bis zur Selbstzerstörung liebt, ist rätselhaft. Denn der, dieser Glenn Ford, hat die Ausstrahlung einer beleidigten Leberwurst und wäre allenfalls der großäugig-gläubigen Liebe eines betulichen Vorort-Muttchens würdig. Ist Glenn Ford also eine schlimme Fehlbesetzung oder soll das so sein? Soll diese irdische Göttin, die da mit Lichtgefunkel, wallender Mähne, sinnlichem Mund und atemberaubendem Hüftenschwingen aufgebaut wird, ihr wahres Glück nur in der Spießigkeit finden dürfen? Soll die Angst, die diese Inkarnation des verruchten Sex bei Männern auslöst, in diesem „Happy-End“ beherrscht und niedergerungen werden?

Glenn Ford jedenfalls ist ein

Typ von Mann, der nicht einmal die Verlockungen der Domestizierung glaubhaft machen kann; ein selbstgerechter Kleingeist, dem zu dieser Frau, als er sie endlich doch noch kriegt, nur einfällt: einsperren und demütigen bis aufs Blut. Das ist die Rache der schwachen Gernegroße, die Frauen auf ihr Niveau herabziehen wollen. Und es ist auch die Rache der Männer, die ihre eigenen Phantasien nicht ertragen können, die, wie der Regisseur von „Gilda“, einen verruchten Vamp mit Kamera und Licht und Schatten verlockend modellieren, nur um ihn am Ende mit Pantoffel-und Geranienglücksversprechen wieder zu zerstören. Dieser Prozeß ist tragisch - denn er zeigt hinter der seltsam unglaubwürdigen Haß-Liebe zweier Filmfiguren die Haß-Liebe der Männer zu ihren exzessiven Projektionen.

Wie aber diese Projektion, die Rita Hayworth heißt, als „Gilda“ singt und wie sie sich bewegt, wie sie mit Männern spielt - so lange sie es „darf“ -, wie sie durch ihren Stolz die Männer zu Männchen macht, obwohl sie schließlich selbst zum Frauchen werden soll und angeblich will - das anzusehen ist ein Genuß. Der Zorn über das Happy-End macht diesen Genuß nicht kleiner.

Sybille Simon-Zülch

Cinema, 21 Uhr.

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