„Der Kirkeby-Turm ist Weltkunst“

■ Dr. Eberhard Kulenkampff, ehemaliger Senatsdirektor des Bremer Bau-Ressorts und derzeit Geschäftsführer der GeWoBa, erklärt die städtebaulichen Überlegungen für die heftig umstrittene Domsheide-Gestaltung

taz: Haben Sie einmal einen richtigen Fehler gemacht, in der Städtebau-Politik?

Eberhard Kulenkampff: Nein. Wir haben vielleicht nicht immer die

Resonanz gefunden, auf die wir gehofft haben...

Ist in der Stadtgestaltung nicht das entscheidende Kriterium für „Fehler“, was angenommen wird?

Kulenkampff: Ja. Alles ist nur eine Dienstleistung an den Menschen, die da leben. Und wenn die die Dienstleistung verweigern, dann war es falsch. Und das ist mir eigentlich bisher nicht passiert.

Wenn die öffentliche Kritik so weitergeht, würde der Turm also abgerissen?

Kulenkampff: Nein. Der Turm wird ja nicht verweigert, sondern mit Worten angegriffen. Aber die Worte zählen in der Stadt so gut wie überhaupt nicht. Die Menschen stimmen in der Stadt mit den Füßen ab.

Diese Domsheide ist doch eine Ansammlung von mißlungenen Bauten. Die Volksbank, diese Post, die Glocke, das paßt alles nicht zusammen...

Kulenkampff: Diese Kritik führt zu der Frage, wie habt ihr das gemacht. Dazu muß man in die Geschichte der Stadt zurückgehen.

Die ursprüngliche Gründung Bremens bestand darin, die Düne, diesen Hügel dicht am Wasser und am Flußübergang, zu bebauen. Unser Anliegen ist, diese Entstehungssituation von Bremen wieder erlebbar zu machen. Wenn man die alten Bilder anguckt - der Domshof steht immer als großartig freier Raum zu dem riesigen Dom hoch. Ein paar Bäume am Rand. Das haben wir wiederhergestellt mit unseren Mitteln, für unsere Zwecke: Markt, Musik, Begegnung, Wegeverbindung. Die Gebäude werden nicht konkurriert durch irgendwelche Spielereien auf den Plätzen. Der Markt wird noch einmal zumachen sein.

Und die Domsheide?

Kulenkampff: Wir mußten und klar machen, daß die Domsheide ein Bus-und Straßenbahnhof ist. Wir haben dann Marlene Zlo

nitzky geholt, eine Baukünstle rin. Sie hat schließlich die Lösung in einer landschaftlichen Form gesucht. Sie hat die Fahrflächen als fließend, als in Bewegung empfunden, und die Flächen für die Menschen als Ufer, wo man stehen bleiben kann, wo man an die Kante tritt, um dann in die vorbeifahrenden Fahrzeuge, hier nicht Schiffe, leider, sondern Bahnen und Busse, einzusteigen. Darum waren diese Verwerfungen sehr logisch und hätten auch, wenn man sie nicht sofort ängstlich wieder weggemacht hätte, mehr noch das Sinnliche dieses Konzeptes verraten.

Und da stand nun als Störenfried die Volksbank...

Muß man nicht mindestens diesen Betonklotz abreißen?

Kulenkampff: Ich empfinde das als schreckliches Unglück für diesen Platz, die Volksbank ist in Zeiten des sogenannten Brutalismus gebaut worden wie ein ländliches Katasteramt. Man glaubte in den 60er Jahren, daß dies endlich der Einzug der Moderne in diese überalterte Stadt wäre. Anstatt die Domsheide zu schließen und die Balgebrückstraße als einen zweiten Raum zu begreifen, der zum Fluß hin führt, hat man beide ineinanderfließen lassen. Damit die Domsheide wieder geschlossen ist, ist dieser Turm von Frau Zlonitzky erfunden und von Per Kirkeby gebaut worden.

Per Kirkeby, der ja international die allergrößte Bedeutung hat und Beachtung findet, hat durch künstlerische Kraft das gemacht, was durch Masse auf den drei mal drei Metern Platz nicht zu machen ist. Dieser wunderbare Turm ist unten schwer und oben leicht. Das Achteck - oben - ist gegenüber dem Quadrat so verdreht, daß es sich löst, die aufsteigende Linie der Fenster, die Schlitze oben machen ihn leicht. Er hat mit diesen wenigen Kubikmetern diese Position so besetzt, daß klar ist: das ist die Domsheide, das ist die Düne, und da geht es runter zum Fluß.

Sie sagten: „Abstimmung mit den Füßen“ - wieso werden die Menschen dahingehen?

Kulenkampff: Ich bin sicher, daß Menschen auf der Domsheide sich wohler fühlen, weil sie gefaßt werden in einem Raum als wenn das um diese Ecke der Volksbank einfach wegschlabbert. Dazu kommt ja, daß die Balgebrück-Straße grauenhaft häßlich ist, weil sie so unflätig breit ist und weil dieses unsäglich häßliche Garagengebäude sie beherrscht.

Da hätte man mit Bäumen und Efeu Abhilfe schaffen können...

Kulenkampff: Das kann man in einer solchen Altstadt überhaupt nicht. Mit Grün sind im Grundriß gotische Altstädte überhaupt nicht zu retten. Wenn man in einen Park will, soll man in einen Park gehen. Die Stadt besteht aus Stein, ist gebaut. Da kann man mal als kleine freundliche Geste einen Baum hinpflanzen oder wie auf dem Domshof drei Bäume, aber das sind steinerne Plätze.

Warum stellt man sich nicht den Materialien des 20. Jahrhunderts? Jemand hat mal in Bezug auf den Turm von Backstein-Provinzialismus des 19. Jahrhunderts gesprochen...

Kulenkampff: Das ist ein dummer Schnack vom Backstein -Provinzialismus. Der Provinzialismus, der ist ein gutes Wort. Wir sollten alle Provinzialismus pflegen. Von irgend welchem Weltgeist werden wir nicht satt. Wir müssen wir selbst sein. Wir sind in der Provinz, wir sind keine Metropole, Berlin auch nicht. Es gibt keine Metropolen mehr. Es gibt irgendwo Geldverteil-Stellen und anderswo keine Geldverteil-Stellen, der Rest der Welt ist Provinz. Provinziell - ja, Backstein - ja. Das zusammen als Schimpfwort - nee. Dieses so abwerten zu wollen, das kann nur jemand sagen, der zumindest die heutige Kunstszene nicht kennt. Dieses ist - Weltkunst.

Fragen: K.W.