Querelen-betr.: "Mechtersheimer Zweideutigkeiten", taz vom 22.8.88 und Leserbriefe vom 9.9.88

Betr.: „Mechtersheimers Zweideutigkeiten“,

taz vom 22.8. und Leserbriefe vom 9.9

(...) Meines Erachtens wäre eine vorurteilsfreie inhaltliche Auseinandersetzung besser als ständige persönliche Querelen. Kurz zu seinen Anwürfen (gemeint ist der Leserbrief von Peter Kratz, d. Red.), auf die schon so oft ausführlich geantwortet wurde: A.Mechtersheimer ist aus seiner Auseinadersetzung mit der Pro-Nato-Position der CSU heraus zu den Grünen und zur Friedensbewegung gestoßen; Rolf Stolz ist 68er, Gründungsmitglied der Grünen und überzeugter Internationalist, der sich u.a. mit dem Befreiungskampf in Südkorea und bei den Kurden befaßt; Herbert Ammon ist Sozialdemokrat (...); im Initiativkreis Linke Deutschland -Politik (LLD) arbeiten Sozialdemokraten (aktive Jusos z.B.), Grüne, Christen und Freidenker zusammen, ein ganz kleines Abbild der Mischung der Meinungen in der gesamten Linken, wie ich glaube. (...) Die Schweisfurth/Ammon -Denkschrift zur deutschen Frage haben u.a. Joseph Beuys, Peter Brandt und Martin Walser unterzeichnet. Daß Aufrufe auch von umstrittenen Personen unterschrieben werden, passiert leider immer wieder; (z.B. beim „Krefelder Appell“), hier ist Kritik berechtigt und sollte in Zukunft zu mehr Wachsamkeit bei uns allen führen. Meine öffentliche Bitte an P. Kratz und das Bonner Friedensplenum: weniger persönlich Angriffe, mehr sachliche (auch, wo notwendig harte) inhaltliche Auseinandersetzung. (...) Zum inhaltlichen noch: daß Künstler und Schriftsteller wie „der Mann mit dem Hut“, der leider viel zu früh verstarb und der Literat Walser, merken wie wichtig die deutsche(n) Frage(n) für uns alle ist/sind, war für mich besonders wesentlich. Vielleicht spüren diese Menschen eher als wir, welche Fragen anstehen, uns beschäftigen sollten. „Das gemeinsame Haus Europa“ würde in friedlich zusammenfindenden deutschen Staaten wichtige und tragfähige Bausteine haben, die zum Zusammenhalt mit den anderen westlichen, östlichen, nördlichen und südlichen Bausteinen entscheidend beitragen könnten. Über die Wege hierzu sollten wir friedlich streiten.

Heinz-Jochen Bertram, Bonn

Ich mache mir Mechtersheimers Wunsch nach Blauhelmen für die Bundeswehr keineswegs zu eigen, habe aber auch wenig Verständnis für die redaktionelle Einbettung, die Ihr dem Interview verpaßt habt.

Die nicht vorhandene Souveränität der BRD, mit Carlo Schmid als „Zeitzeugen“, als Garant für Friedfertigkeit und Internationalismus der BRD darzustellen, offenbart ein Staatsverständnis, wie es im Sozialkundeunterricht der Sek II gepflegt wird. Von Euch hätte ich mehr erwartet. Hätte nicht wenigstens Euren Säzzer/innen auffallen müssen, daß die Beweihräucherung der Westintegration unvereinbar mit dem - hoffentlich noch vorhandenen - antiimperialistischen Anspruch Eures Blattes ist? (auffallen und Bemerkung machen sind zweierlei Schuhe! d.s.in)

Radikale Sytemkritik ist etwas aus der Mode gekommen. Trotzdem solltet Ihr darüber reflektieren, daß publizistische Angriffe auf Weltbank, GATT und Nato unglaubwürdig werden , wenn der Rest der Nachkriegsordnung der völkerrechtliche Status bei-der deutscher Staaten nicht mit hinterfragt wird. Die Gründung der BRD und die Gründung der Nato sowie die daraus resultierende Aufrüstung sind völkerrechtlich (Deutschlandvertrag, Truppenstatut) untrennbar miteinander verknüpft. Es gibt keine „Westintegration mit Pille“: mit allen Freuden (Internationalismus), aber ohne die Folgen (Militarismus).

Wie könnt Ihr die Interventionen des US-Imperialismus in Grenada, Nicaragua undundund kritisieren, ohne die Voraussetzungen - die US-Präsenz in Westeuropa und die daraus resultierende politische Ehe der Eliten beiderseits des Atlantiks mit anzugreifen? Wie könnt Ihr die ökologischen Folgen der Militärpräsenz kritisieren, wie z.B. Waldrodungen und Tiefflieger, ohne mit der Nase auf die Frage zu stoßen, warum die Militärs in der BRD alles dürfen? Gesamtdeutscher Nationalismus wird auch von der NPD propagiert. Wenn Ihr daraus in infantiler Logik rückschließt, daß dieser unweigerlich ins braune Lager führt, bezieht Ihr honorige Persönlichkeiten wie Rudi Dutschke ein, der in seinem „Langen Marsch“ Adenauer die Westintegration als Verrat vorgeworfen hat. Oder Gustav Heinemann, einen der wenigen integren Bundespräsidenten, der diese Politik frühzeitig bekämpft hat. (...)

Axel Brink, Göttingen