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Anti-Mafia-Pool darf weitermachen

Oberster Richterrat Italiens bestätigt Blockadeversuche der Großprozesse / Pool-Gegner will sich nicht an Direktiven halten / Mafia ermordet Gerichtspräsidenten  ■  Aus Rom Werner Raith

In zweitägiger Sitzung hat Italiens Oberster Richterrat das höchste Selbstverwaltungsorgan der italienischen Justiz

-nach einem Kampf mit Haken und Ösen ein Dokument ausgebrütet, das die seit Monaten geführte erbitterte Auseinandersetzung um den Anti-Mafia-Kampf beenden soll. Danach soll der Leiter des sogenannten Anti-Mafia-Pools, Giovanni Falcone (49), weiter an der Spitze der Sonderkommission aus sechs Staatsanwälten und einem Dutzend erfahrener Mitarbeiter bleiben. Gleichzeitig bescheinigt das Dokument jedoch auch seinem härtesten Gegner, dem erst im Februar ins Amt gekommenen 69jährigen Obersten Ermittlungsrichter Antonio Meli, er habe stets „in gutem Glauben“ gehandelt und den Kampf gegen die Mafia nicht, wie ihm „Pool„-Chef Falcone vorwirft, behindern wollen. Für alle Fälle hat der Oberste Richterrat Meli jedoch auferlegt, entgegen seiner erklärten Absichten den Anti-Mafia-Pool nicht aufzulösen und sich nicht in dessen Arbeit einzumischen.

Die Vermittlung des Obersten Richterrates war bitter nötig

-monatelang hatten willkürliche Versetzungen erprobter Fahnder, haltlose Angriffe gegen einzelne Ermittler und von Meli persönlich blockierte Verfahren gegen mafiose Politiker die Arbeit des Anti-Mafia-Pools völlig gelähmt, bis Falcone und seine Kollegen Ende Juli 1988 resigniert um ihre Versetzung baten. Ein Sonderausschuß des Richterrates hatte dann zu allem Überfluß zunächst alle Beschwerden Falcones abgeschmettert - ohne jegliche Nachprüfung. Das löste trotz Sommerpause einen einhelligen Aufstand der italienischen Öffentlichkeit aus, die im erfolgreichen „Pool„-Leiter (er hatte die „Maxi-Prozesse“ gegen insgesamt mehr als 700 Angeklagte vorbereitet) einen Nationalhelden sieht.

Ob der nun ausbaldowerte Juristenkompromiß auch hält, ist fraglich. Falcone hat sein Versetzungsgesuch noch nicht zurückgezogen - mit gutem Grund. Der erste Kommentar seines Gegners Meli bestand nämlich in der Erklärung, er werde sich nicht an die Vorgaben des Richterrates, sondern „nur an die Gesetze“ halten. Die Mafia ist offenbar der Meinung, daß der Spruch des Richterrates ihr nicht schaden wird. Am Tag der Kompromißfindung erschossen zwei ihrer Killer den Ex -Gerichtspräsidenten von Trapani, Alberto Giacomelli. Er hatte vor zwei Jahren in einem Verfahren gegen einen mafiosen Staatsanwalt ausgesagt, der danach des Amtes enthoben worden war.

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