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Kohle-Jumpen auf Signal

■ Arbeit im Hafen - damals und heute / Mit Stauhaken und Karre über die Kaje / Früher mißachtete Tagelöhner, heute Fachleute Sie können Gabelstapler, Lastwagen und Kran fahren / Container für den Krieg erfunden

Kajenarbeiter und Stapelleute hatten außer der Sackkarre nur sehr bescheidene Hilfsmittel für ihre Arbeit zur Verfügung. Der stählerne Stauhaken war das Wahrzeichen des Kajenarbeiters. Mit diesem Handhaken packte er die unhandliche Ladung, die vom Kran abgesetzt worden war, und zog sie auf die Karre. Sofort nach der Stapelung im Schuppen bzw. noch während des Löschens erschienen die Empfänger der Ladung und ihre Vertreter, die Küper.

Beim Löschen von Kohledampfern war das sogenannte „Jumpen“ gebräuchlich, eine körperlich besonders anstrengende Tätigkeit, bei der nicht nur Muskelkraft, sondern auch Körpergewicht benötigt wurde. Eine Gruppe von drei oder vier Kohleschauerleuten stellte sich an Bord des Schiffes auf ein Podest oder eine Leiter. Sie ergriffen ein Tau, an dessen anderem Ende sich im Schiffsinneren beladene Körbe von 100 Kilogramm Gewicht be

fanden. Auf ein Signal sprangen die Arbeiter gemeinsam vom Podest und zogen das Seil mit sich nach unten, worauf der Kohlekorb aus dem Schiffsraum nach oben schnellte.

Die Masse der Hafenarbeiter hatte keine besonderen beruflichen Qualifikationen. Ihr rechtlicher Status als „Tagelöhner“ war unsicher. Aber aus diesen besonderen Belastungen resultierte auch ein besonderer Stolz und deftiger Humor. Lange Jahre war ein hoher Alkoholkonsum unter Teilen der Hafenarbeiterschaft ein Problem. Wer am Hafen lan dete, hatte die unterste soziale Stufe der Arbeit für Menschen erreicht.

Arbeit im Hafen - heute

Segelschiffe, Dampfschiffe, schließlich Motorschiffe mit riesigen Verbrennungsmotoren. Schiffe mit immer größeren Laderäumen. Wegen dieser Entwicklungen reichte die menschliche Körperkraft, später unter

stützt durch Winden und Krane, nicht mehr aus, um den Anforderungen eines modernen Hafens zu genügen. Vor allem brachten die erheblichen Liegekosten für die Reeder wie auch der steigende Wert der transportierten Waren den Faktor Schnelligkeit beim Hafenumschlag immer mehr zur Geltung. Wenn auch der Prozeß der Ablösung der menschlichen Muskelkraft schon seit mehr als sechzig Jahren wirksam war, kam er doch erst zur wirklichen Geltung durch die Einführung des Containers (englisch für: Behälter). Auf Erfahrungen fußend, die die Amerikaner mit Warensammelbehältern im zweiten Weltkrieg gemacht hatten, entwickelte sich in den fünfziger und sechziger Jahren der Containerumschlag und das spezialisierte Containerschiff (...) Durch diese neuen Verladetechniken erhöhte sich die Umschlagsleistung der Bremer Häfen rapide.

Statistiker haben verglichen, wieviel ein Hafenarbeiter in einer achtstündigen Schicht bewegen kann. Er bearbeitet acht Tonnen konventionelles Stückgut, 25 Tonnen mit Hilfe normaler Lastkrane, wenn die Güter auf Paletten zu größeren Ladungseinheiten (unitloads) zusammengefaßt sind. Wenn er jedoch Container bewegt, bringt er es auf rund 200 Tonnen Stückgut.

Alle technischen Neuerungen im Hafen seit den sechziger Jahren erforderten einen neuen Typus von Hafenarbeiter. Sein Ausbildungsstand ist mit dem der Kajenarbeiter vor fünfzig Jahren nicht mehr zu vergleichen. Jeder Hafenarbeiter erhält heute in seiner Ausbildung eine Schulung zum Gabelstaplerfahrer. Viele BLG-Arbeiter bringen bereits einen LKW-Führerschein mit.

Aus dem Buch: Die Häfen in Bremen, Steintor-Verlag.

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