piwik no script img

Streiks unter KPD-Führung

■ „Seemannsbund“, „Ring“, „Tranaeitea“ / Aus der Geschichte der Gewerkschaften und der Arbeitskämpfe im Hafen / Die „Unständigen“ waren auch die Unruhigsten

Schon 1897 hatten sich die unständigen und festangestellten Hafenarbeiter zum Transportarbeiterverband zusammengeschlossen. Da die unständigen Arbeiter nicht nur bei der Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG), sondern auch bei Stauereien, Speditionen, Reedereien und Speicherbetrieben beschäftigt wurden, organisierte sich die Arbeitgeberseite im Jahre 1904 ebenfalls, und zwar im Hafenbetriebsverein. Der Transportarbeiterverband und der Hafenbetriebsverein handelten jetzt für ihre Mitglieder verbindliche Tarife aus. Obwohl die Abschlüsse von 1914 zeigten, daß die Hafenarbeitergewerkschaft ein durchsetzungsfähiger Gegner war, brachte die verbesserte Organisation auch für Arbeitgeber Vorteile. Oft war es nämlich im Hafen wegen der Arbeitsbedingungen zu fast unvermeidlichen „wilden“ Streiks gekommen, gegen die die Hafenbetriebe auch schon einmal von auswärts angewor

bene Streikbrecher einsetzten. Jetzt verpflichtete die Gewerkschaft ihre Mitglieder zur Einhaltung einmal ausgehandelter Tarifverträge. Nach dem ersten Weltkrieg zeigte sich, daß diese Vertragstreue nur von den ständig beschäftigten Hafenarbeitern tatsächlich aktzeptiert wurde. Die unständigen Hafenarbeiter dagegen streikten, angeführt von KPD-Vertretern, in diesem Jahrzehnt mehrfach. (...)

Die Intensivierung der Hafenwirtschaft und die zentrale Organisation der Arbeitsvermittlung hatte in den Bremer Häfen für die Arbeiter den Vorteil, daß sie über relativ geregelte Tarife und Arbeitsbedingungen mit dem bedeutendsten Arbeitgeber in Bremen, der Bremer Lagerhaus Gesellschaft, verhandeln konnten. So war es nur unter diesen speziellen Bremer Verhältnissen und den damaligen politischen Rahmenbedingungen möglich, daß sich 1919 der „Ring der Bremer Hafenarbeiter“ gründen konnte. Die

Ringarbeiter waren die einzigen Unständigen, die über ein Anrecht auf bezahlten Urlaub verfügten. Sie waren bei der Arbeitsvergabe als erste zu berücksichtigen und erhielten damit einen relativ festen Wochenlohn. Die Zahl der Ringarbeiter blieb in den zwölf Jahren des Bestehens dieses Zusammenschlusses relativ konstant und war niedrig; genaue Zahlen sind nicht bekannt. Zum ersten Januar 1933 wurde der Ring aufgelöst.

Durchaus nicht alle Arbeiter schlossen sich in der Zeit der Bildung der Gewerkschaften auch diesen Organisationen an. Vor allem die statusbewußten Küper (Warenprüfer) gründeten zunächst einen eigenen Verband, der aber keinen Bestand hatte. Ein Teil der Küper trat daraufhin dem Transportarbeiterverband bei, einer Gewerkschaft, im sozialdemokratisch beeinflußten Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund. In der ersten Hälfte der zwanziger Jahre gab es noch

eine zweite, radikalere Hafenarbeitergewerkschaft, den „Seemannsbund“. Bis zum ersten Weltkrieg war die große Masse der Hafenarbeiter sozialdemokratisch eingestellt, nach 1918 neigte sie mehrheitlich den Kommunisten zu. Erst gegen Ende der Weimarer Republik gewann die Sozialdemokratie bei den Betriebsratswahlen unter den festen BLG-Arbeitern wieder eine Mehrheit. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde auch der Transportarbeiterverband verboten. Seit 1945 vertritt die Gewerkschaft ÖTV die Interessen der Angestellten und Arbeiter im Hafen.

Hermann Pölking-Eiken, Uwe Kiupel

Auszug aus dem Buch: Die Häfen in Bremen - Kurs Zukunft. Von Arne Andersen, Jürgen Bartkowiak, Uwe Kiupel und Hermann Pölking-Eiken. Steintor Verlag, 36 Mark im Buchhandel, 25 Mark in der Hafenausstellung

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen