piwik no script img

PROTHESENPARADE

Sehen Sie, es ist wie mit den Tieren; es gibt die tag- und die nachtaktiven. Auch bei den Schaufensterauslagen ist es so. Manche sind für den Tag bestimmt, andere wirken erst, wenn's dunkel wird. Denken Sie nur an die Geschäfte für Seidenunterwäsche. Wie stumpf und leblos die Farben der Slips und BHs im Tageslicht sind - und wie sie am Abend unter den Lampen zu leuchten beginnen: taubenblau, lachsrosa, kanariengelb... und wie die Falten der Stoffe tiefer werden und man den Eindruck bekommt, die Sachen seien getragen und gerade abgelegt worden. Sie zu betrachten hat voyeurhaften Reiz.

Ähnliches passiert vor den Auslagen der Sanitätshäuser. Auch sie kommen in der Dunkelheit erst richtig zur Geltung, und manches davon bedarf der Diskretion. Das Angebot beider Geschäftssparten ist mit dem Verhüllen und der Preisgabe an den Blick eines anderen verbunden - das Dessousgeschäft mit dem erotischen Moment, das Sanitätshaus mit der Situation des Kranken oder Behinderten, der sein Gebrechen nach außen zu verbergen sucht. So wie es die Werbung für Bademoden brustamputierter Frauen sagt: „Wieder Zutrauen zu sich selbst, wir sorgen dafür'daß niemand etwas merkt.“

Auch die vielen Blasenkranken wünschen, daß niemand etwas merkt. Dafür sorgt ein Arsenal von Hilfsmitteln. Windelhosen und Penisklammern etwa, oder Tropfenfänger, Kondomurinale oder Bettnässer-Weckgeräte. Vieles aus dem Sanitätshaus dient dem Kaschieren und ist zugleich Instrument zur praktischen Lebenshilfe. Schauen Sie sich nur die Broschüren und Zeitschriften an, die dort ausliegen. Sie sind voll von Beispielen über Leute, die dieser Instrumente bedürfen und dennoch glücklich sind. Es gibt Bilder von Musterpaaren, die das immer wieder bestätigen sollen. Sie zeigen oft einen älteren Mann und eine ältere Frau, die im milden Herbstlicht auf einer Parkbank sitzen und einander mit gutem Gewissen und windstoßsicheren Perücken zufrieden anlächeln. Diese Zufriedenheit sei, so besagen es die umgebenden Texte, wesentlich aufs Angebot der Sanitätshäuser zurückzuführen.

Das Paar kontrolliert nämlich regelmäßig seinen Blutdruck, mißt beim Spazierengehen den Puls, besitzt bei Zuckerkrankheit ein Diabetiker-Set und führt ein Diabetiker -Tagebuch, trägt Leibbinden und Knieschoner aus Angora -Wolle, beugt mit einem Inhalator Erkrankungen der Atemwege vor und wärmt sich mit Katzenfell-Bandagen, Rotlichtlampen und Heizkissen. Sie sind versorgt - und wenn es sie schlimmer erwischt, geben ihnen die Sanitätshäuser auch dafür Hilfe. Federnde Krücken und wendige Rollstühle, mit denen sie sich einen Platz für die Behinderten-Olympiade sichern könnten. Diese Geschäfte sind Agenturen des Lebensmutes. Ihre Devise ist altbekannt: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott oder: Jeder Mensch sein eigener Sanitäter.

An alle Mitmenschen. Weltgesundheitsorganisation, Schulzahnkliniken. Kassenärztliche Bundesvereinigung. Gesetzliche private Krankenkassen. Zahnmedizinische Fakultät der Freien Universität Berlin. Die Mundguckerteams für Zahnerhaltung in Heer, Marine, Luftwaffe. ZAHNPUTZERKENNTNIS! Ein zahnmedizinischer Irrtum zur Zahnerhaltung im Gesundheitswesen innerhalb der Mundhöhle am menschlichen Körper. Parodontalpflege! Umfaßt wissenschaftlich das Zahnbett, Zahnfleisch, den Zahnschmelz. Die offensichtliche Schädigung der Volksgesundheit durch Cariesfrequenz ist nachweisbar durch Säurebildung begründet. Erstmals durchführbar ist die antiseptische Speisebrei -Entfernung aus der subgingivalen Zahnfleischtasche, deren Öffnung sich rings um den Zahnhals legt. Durch eigenen KAUDRUCK wird die Tasche gefüllt, aber mittels bekannter Mundhygiene-Geräte nicht entleert, bildet der Gärungsprozeß die Wurzel der Zahnfäule. Erstmals ist das Wesen der Caries speziell ihre Entstehung wissenschaftlich einwandfrei nachgewiesen und durch die Anwendung des GINGIVALSAUMKELCHS erklärt. Subgingivale Parodontal-Hygiene fordert: 1 Gingivalsaumkelch-, 1 Antriebsaggregat-Anwendung im Do-it -yourself-Verfahren, Antiseptik! Gingivalsaumkelch mit Borstenbesatz eintauchen in ca. 90%igen Alkohol, 1 Minuten Rotierung für 32 Gingivalsäume einschließlich des Zahnfleischs!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen