: Keine Wohnungen für alleinstehende Frauen
■ Der Wohnungsmangel trifft alleinstehende Frauen mit Kindern besonders hart / Trotz Wohnberechtigungsschein haben sie auf dem Wohnungsmarkt keine Chance / Forderung nach Kontingenten bei städtischen Wohnungsbaugesellschaften für alleinerziehende Mütter
„Gefühle sind im Warenkorb des Sozialhilfeempfängers nicht vorgesehen“, sagt Renate J. empört. Seit sechs Monaten lebt ihre Freundin Maria M. (Name von der Red. geändert) mit zwei Kindern bei ihr - in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Maria mußte vor ihrem gewalttätigen Mann flüchten. Er versuchte, sie mit Hammerschlägen auf den Kopf umzubringen. Zwei Wochen später besorgte ihr das Charlottenburger Grundstücksamt eine Wohnung - neben der Arbeitsstätte ihres Mannes. Entsetzt lehnte Maria M. ab. Für solche Empfindlichkeiten hatte man in Charlottenburg aber kein Verständnis. Seitdem ist dort von seiten des Amtes Funkstille.
Maria M. läuft sich seit Monaten die Hacken ab, eine Wohnung zu finden. „Als alleinstehende Mutter und Sozialhilfeempfängerin steht man am untersten Ende aller Bewerber“, sagt sie bitter. „Ich habe alles versucht: Zettel an die Bäume geklebt, die Wohnungsbaugesellschaften angesprochen, Anzeigen aufgegeben, sogar an Diepgen habe ich geschrieben und an den Petitionsausschuß - nichts.“ Die Kinder hängen lieber auf der Straße herum als in dem einen engen Raum still zu sitzen. Kein Amt ist für sie zuständig. Mietübernahmebescheinigungen des Wilmerdorfer Sozialamtes, bei dem sie gemeldet sind, kommen zu spät oder gar nicht. Entweder werden die Wohnungen nicht an Sozialhilfeempfänger vermietet, oder sie sind so teuer, daß das Amt sie nicht bezahlt.
Maria M. ist kein Einzelfall. Alleinstehende Mütter, die 24Prozent der Berliner Familien stellen, sind auf dem Wohnungsmarkt ohne Chance, erklärte die Leiterin der Gleichstellungsstelle der SPD, Korthaase. Erwerbslose, unverheiratete Mütter haben im Monat durchschnittlich 800 Mark zum Leben, jede Dritte bezieht Sozialhilfe. Die SPD fordert deshalb im Abgeordnetenhaus, der Senat solle bei städtischen Wohnungsbaugesellschaften Kontingente für alleinerziehende Mütter durchsetzen. Frauen sollen Wohnberechtigungsscheine zusammenlegen können. Die Obergrenzen von 50qm2r pro Person, für die das Sozialamt zahlt, sollen fallen. Vor allem aber müsse, so Frau Korthaase, der mißhandelnde Mann, nicht die Frau die Wohnung verlassen.
Die Frauenbeauftragte von Braun erklärte dazu, man müsse „etwas Ähnliches wie ein Belegungsrecht des Senats“ schaffen, zum Beispiel Wohnungen für Mütter anmieten.
Alleinstehende Frauen würden genauso behandelt wie andere Besitzer eines Wohnberechtigungsscheines mit Dringlichkeit, erklärte ein Sprecher der gemeinnützigen GSW auf Anfrage. Einen Wohnberechtigungsschein haben allerdings inzwischen 100.000 BerlinInnen. Die GSW habe eine Warteliste von 20.000 BewerberInnen für 52.000 Wohnungen, keine davon steht leer.
esch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen