Argentinien: Demokratieförderung durch IWF

■ Die „Souveränität“, die durch Auflagen von IWF und Weltbank oftmals in Frage gestellt wird, muß nicht immer die Souveränität der Bevölkerungen sein

Wir dokumentieren im folgenden einen kurzen Auszug eines Aufsatzes von Rainer Tetzlaff aus der Zeitschrift 'Peripherie‘ mit dem Titel Nationale Souveränität in Gefahr? Kritische Betrachtungen über den Verlust eines kostbaren Gutes der Dritten Welt angesichts der Verschuldungskrise. Darin weist der Autor darauf hin, daß selbstherrliche Regierungen ohne Legitimierung durch die jeweilige Bevölkerung das Primat der „Nationalen Souveränität“ auch zum eigenen Machterhalt ausnutzen können: wenn es gilt, äußere Einflüsse abzuwehren, die zur ungeliebten Demokratisierung beitragen könnten. Neben Fällen, in denen IWF und Weltbank mit ihren Interventionen der Souveränität der Bevölkerung schweren Schaden zufügten, macht Tetzlaff auch Beispiele aus, in denen beide Institutionen die Demokratisierung stützten - in Form einer Einmischung von außen „zur Förderung von Souveränität“.

Aus der berechtigten Kritik an den Bretton-Woods-Institutionen wird häufig der Schluß gezogen, daß diese Institutionen, weil sie die Staatsregierungen von LDCs (von den ärmsten Ländern der Welt, d.Red.) durch diplomatische Unterwerfungsrituale demütigen (unangenehme Verhandlungen mit jungen, arroganten Wirtschaftsexperten ohne politisches Einfühlungsvermögen; Umschuldungsdiktate des „Pariser Clubs“ etc.), auch deren Bevölkerungen nur schaden. Dieser Schluß ist unzutreffend.

Die häufig erzwungene Heraufsetzung der Produzentenpreise für Grundnahrungsmittel (freilich nicht aus humanitären Gründen, sondern um das Exportpotential eines Schuldnerlandes anzukurbeln) und die personelle Verschlankung von Verwaltungsapparaten und Verkehrsbetrieben (die oftmals wegen des Mangels an alternativen Einkommensmöglichkeiten personell bis zur Funktionsstörung überladen sind - von den Kosten für die öffentliche Hand abgesehen) gehören zu den extern verursachten Eingriffen in nationale Souveränität, der eine entwicklungspolitische Vernunft nicht abgesprochen werden kann.

Weil nationale Kritik und Kontrolle von Herrschaft institutionell erst schwach entwickelt ist - die kritische Intelligenz von LDCs wird drangsaliert (im Senegal, in Chile, im Iran etc.) oder ins Exil getrieben (Somalia, Zaire, Afghanistan etc.), können die International Finance Institutions (IFIs) von außen korrigierend oder schadensbegrenzend wirken. Thomas Siebold hat am Beispiel von Ghana demonstriert, wie hier die IFIs das reformwillige Regime des Fliegerleutnants Rawlings bei seiner Politik unterstützt haben, die endemische Korruption des öffentlichen Sektors zu begrenzen und die produktiven (Kakaobauern) auf Kosten der parasitären Schichten (Bürokraten; Angestellte der Parastatals) zu fördern.

Sollte das Reformexperiment gelingen - Zweifel daran sind nicht unbegründet (es kommt nicht genug „fresh money“ ins Land zur Unterstützung der Konjunktur) - dann hätten die IFIs hier dazu beigetragen, die nationale Souveränität eines Landes, das in erster Linie durch das moralische Versagen seiner politischen Führer zuschanden kam, wieder aufzurichten.

Die demokratisch gewählte Regierung Alfonsin hatte 1983 von ihren militärischen Vorgängern einen Schuldenberg von Höhe von 54Mrd.US$ geerbt, was einen jährlichen Schuldendienst von 6Mrd.US$ ergab. Nachdem die neue Regierung ohne Erfolg versucht hatte, die marode Wirtschaft aus eigener Kraft in Gang zu bringen („Austral Plan“), entschloß sie sich 1986, mit dem IWF und der Weltbank über Kredite und Anpassungspolitik zu verhandeln. Die Bereitschaft zur Kooperation wurde 1986 mit einem 350-Mio.-US$-Kredit der Weltbank honoriert - einem der üppigsten Strukturanpassungskredite, den die Bank je gewährt hat. Damit sollten 36 Projekte zur Reaktivierung der Wirtschaft finanziert werden. Kurz darauf winkte der IWF mit einem Kredit in Höhe von 660Mio.US$ aus der Kompensierungsfazilität (und was ist mit der transzendentalen Apperzeption? - siehe Immanuel Kant -, fragen sich da die säzzer) und einem Beistandskredit über 1,4Mrd.US$, Summen, die allerdings erst zur Auszahlung kommen sollten, nachdem sich Buenos Aires mit den ca. 300 privaten Gläubigerbanken geeinigt haben würde. Diesen schuldete Argentinien 30Mrd.US$.

Auf Druck der USA kam dann im April 1987 unter Beteiligung des IWF ein spektakuläres Umschuldungsabkommen zustande: Ungefähr 24Mrd.$, die Argentien vor 1984 erhalten hatte, wurden über 19 Jahre umgeschuldet, bei einer zinsfreien Periode von sieben Jahren und einem vergleichsweise günstigen Zinssatz von 0,8125 % über LIBOR. Weitere 4,2Mrd.$, die nach 1984 kreditiert worden waren, wurden über zwölf Jahre umgeschuldet, bei fünf zinsfreien Jahren. Schließlich erhielt Argentinien zur Ankurbelung der Konjunktur 1,9Mrd.$ „fresh money“.

Daraus läßt sich schlußfolgern, daß der IWF (auch im politischen Interesse der US-Regierung) im begrenzten Rahmen seiner institutionellen Möglichkeiten einer demokratisch legitimierten Regierung eine Pespektive eröffnete, sich aus den Fallstricken der Verschuldung zu befreien. Das Unglück war nur, daß der IWF nicht mächtig genug war, das Übel des Handelsprotektionismus der Industriestaaten zu beseitigen.

Der Hinweis im Text gilt: Ghana 1957-1987, Entwicklung und Rückentwicklung, Verschuldung und IWF-Intervention, Hamburg 1988.