Wirbel

■ Gorbatschow macht neue Vorschläge

Es ist schon atemberaubend, welches Tempo Gorbatschow vorzulegen imstande ist. Kaum aus dem Urlaub zurückgekommmen, nimmt er nicht nur die Zügel der internen Politik wieder in die Hand, sondern rührt mit seinen Abrüstungsvorschlägen sofort am Nerv der westlichen Politiker. Denen bleibt nun nichts anderes, als zu reagieren.

Da bemühen sich die USA seit Monaten, mit Frau Aquino ein Flottenstützpunkt-Abkommen unter Dach und Fach zu bekommen und ihre Aufrüstung im Pazifik abzurunden. Wenn nun Gorbatschow anbietet, die sowjetische Flotte aus Vietnam abzuziehen, gibt es für das US-amerikanische Trachten keine Begründung mehr. Und mit dem Streich, die riesige Radaranlage in Krasnojarsk der friedlichen gemeinsamen Weltraumnutzung zuzuführen, wird auch das letzte Argument für das SDI-Projekt kräftig angekratzt. Mit der Bereitschaft schließlich, die Atomwaffen im Fernen Osten einzufrieren, mit den Anrainerstaaten über die Flottenpräsenz der Sowjetunion zu verhandeln und unverzüglich einen Gipfel mit China anzustreben, wird Bewegung in die fernöstlichen Verhältnisse gebracht. Dem Angebot Gorbatschows, gemeinsam mit den USA und der UdSSR die Sicherheitsfragen in der Region zu diskutieren, kann sich die chinesische Führung wohl nicht mehr entziehen.

Innenpolitisch geht der Tanz jetzt erst richtig los. Gorbatschows Kritik an den Kadern in Sibirien, an Umweltzerstörung und schlechter Versorgungslage ist zwar nicht ganz neu, doch sein Appell an die Bevölkerung, endlich selbst die Dinge in die Hand zu nehmen, war so ernsthaft vorgetragen, daß er vielleicht auch ernstgenommen wird. Sein Hinweis, es gebe keine Alternative zur Perestroika, wird manchem Parteioberen in den Ohren klingen. Und das haben sie zur Zeit mit so manch einem Politiker im Westen gemein.

Erich Rathfelder